Die verbesserte Situation in der Eurozone geht an der wirtschaftlichen Entwicklung in Österreich etwas vorbei, die Wirtschaft profitiert derzeit nur moderat. Die Binnennachfrage und Exportlage ist im Vergleich noch relativ schwach, die Investitionsbereitschaft ist aufgrund der trüben Stimmung eher zurückhaltend. Trotz der leichten Wachstumsverbesserung bleibt der Preisdruck rückläufig. Das Wifo erwartet nach einer Teuerungsrate von 1,7 % im vergangenen Jahr für 2015 einen Rückgang des Verbraucherpreisindex auf 1,3 % und 2016 eine moderate Erhöhung auf 1,6 %.

Bonität Österreichs trotz Rückstufung sehr gut

Im abgelaufenen Jahr stieg das öffentliche Defizit aufgrund des Sondereffekts der Hypo Alpe Adria/HETA auf 2,4 %, der öffentliche Schuldenstand in Relation zum BIP belief sich zum Jahresende 2014 auf 84,5 %. Die Rating-Agentur Fitch hat Österreich die Bestnote AAA entzogen und beurteilt diese mit AA+. Damit bewertet nur noch Moody’s, die Dritte der drei großen US-Ratingagenturen neben S&P und Fitch, Österreich mit AAA. Für das laufende Jahr wird ein geringfügiger Rückgang des Defizits auf 2,2 % erwartet. Ein strukturell ausgeglichenes Budget ist derzeit nicht realistisch.

Negative Rendite bei österreichischen Staatsanleihen

Die Zinsen bleiben noch länger nahe der Null-Prozent-Grenze. Neben der Quasi-Null-Zins-Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) führte die Implementierung des umfangreichen Anleiheankaufprogramms und der Negativzinspolitik zu kräftig sinkenden Anleiherenditen in der Eurozone.

Die EZB-Politik führte dazu, dass die Republik Österreich erstmals in ihrer Geschichte im März eine Bundesanleihe mit einer negativen Gesamtrendite emittierte. Die Renditen von österreichischen Staatsanleihen sind in den Laufzeitsegmenten bis fünf Jahre nach wie vor leicht negativ, eine zehnjährige österreichische Bundesanleihe wird per 7.4.2015 mit einer Rendite von Plus 0,33 % ausgewiesen. Solange die Politik der EZB aufrecht bleibt, wird sich an dieser Situation so rasch nichts ändern.

Austro-Aktien haben etwas an Momentum zugelegt

Der ATX-Index hat seit Jahresbeginn deutlich zugelegt, liegt aber im Vergleich immer noch nur gleich auf wie andere europäische Aktienbarometer. Besonders die Performancelücke gegenüber dem deutschen Aktienindex ist weiterhin signifikant.

ATX ist zum Buchwert zu haben

Die schwache Performance der letzten Jahre führte dazu, dass der gesamte ATX-Index derzeit nur mit einmal Buchwert (Kurs/Buchwertverhältnis von 1) gehandelt wird. Dies bedeutet, dass an der Börse die künftige Situation der Unternehmen sehr nüchtern bewertet wird. Zukünftige Gewinne, Investitionen, die höhere Renditen abwerfen sollen und erwartete zusätzliche Cash Flows werden derzeit in den Aktienkursen nicht eingepreist. Für langfristig orientierte Anleger sind diese Bewertungen sehr attraktiv. Es wird wieder einmal die Zeit kommen, in der Börseteilnehmer positiver in die Zukunft blicken. Spätestens dann wird man den jetzigen Bewertungsniveaus nachtrauern.

Aufholpotenzial ist vorhanden

Für die Performance des Gesamtmarktes ist es wichtig, wie sich die größten fünf Aktien des ATX-Index entwickeln. Die größten fünf Aktien (Erste Group Bank, Andritz, OMV, voestalpine und Immofinanz) machen rd. 60 % der Kapitalisierung des ATX-Index aus.

Global gesehen werden derzeit primär die großen Standardtitel (Large-Caps) und Werte aus dem Technologiesektor oder Gesundheitswesen nachgefragt. Kleinere und mittelgroße Aktien, wie sie an der Wiener Börse zu finden sind, und Unternehmen mit hohem Engagement in Schwellenländern sind derzeit weniger gefragt.

Das kann sich rasch ändern. Die relative Bewertung und die gute Entwicklung der Nachbarländer in Zentral- und Osteuropa sprechen für die Wiener Börse. Es fehlt nur noch das positive Investorensentiment.


Autor:
Paul Severin
Vorstandsmitglied ÖVFA
Leiter Investmentkommunikation Erste Asset Management
9. April 2015

Hinweis

Die Wiener Börse AG verweist ausdrücklich darauf, dass die angeführten Informationen, Berechnungen und Charts auf Werten aus der Vergangenheit beruhen, aus denen keine Schlüsse auf die zukünftige Entwicklung oder Wertbeständigkeit gezogen werden können. Im Wertpapiergeschäft sind Kursschwankungen und Kapitalverluste möglich. Der Beitrag gibt die persönliche Meinung des Analysten wieder und stellt keine Finanzanalyse oder Anlageempfehlung der Wiener Börse AG dar.

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