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Die Notenbanken intervenieren wieder

Roman Steinbauer | Börsen-Kurier

Markteingriffe gegen Verwerfungen am Devisenmarkt sind plötzlich wieder Realität.

Seitens der Bank of England (BoE) und der Bank of Japan (BoJ) wird wieder interveniert. Denn das britische Pfund und der japanische Yen wurden im Devisenhandel (Forex-Markt) während der vergangenen Monate gegenüber dem USD derart abverkauft, dass die Notenbanken die Reißleine zogen. Schließlich galt es, ein gestiegenes Misstrauen gegenüber den Währungen und eine zunehmende Kapitalflucht zu bremsen.

Währungsderivate unter Hochspannung

Erstmals seit dem Jahr 2011 griff die japanische Zentralbank ein, nachdem der Yen am 22. September (unmittelbar nach Bestätigung des Negativ-Leitzinses von -0,1 %) auf das historische Tief von 150 pro USD zusteuerte. Die Wirkung der Operation war imposant. Binnen Minuten erstarkte Nippons Devise um bis zu 5 %. Seitdem erodiert der Yen erneut in Richtung dieser sensiblen Zone. 

Schließlich griff ebenso die Bank of England (BoE) ein, indem diese verkündete, lang laufende Staatsbonds aufzukaufen, ohne dabei eine Obergrenze des Volumens zu nennen. Diese Verlautbarung erfolgte unmittelbar nachdem die Zinsen britischer Schatzscheine mit 30-jähriger Laufzeit bis über 5,1 % (ein höheres Niveau als Griechenlands Obligationen) in die Höhe schossen. Die Käufe würden in einem nicht näher definierten Umfang bis zum Erreichen des Ziels der Marktstabilität getätigt. Zuvor knickte die älteste Weltdevise auf noch nicht gesehene 1,05 GBP zum USD ein. Für Spekulanten, die mittels Derivaten mit Hebelwirkung zu diesem Währungspaar ihre Chance suchen, gilt nun (vor allem in Hinsicht etwaiger Knock-Out-Schwellen) höchste Vorsicht.

Regierung als Auslöser der Marktturbulenzen

Welch Ironie: Eine Woche zuvor versprach die britische Premierministerin Liz Truss, die Regierung sei bemüht „wieder Vertrauen herzustellen“. Es müssten „entscheidende Schritte“ gesetzt werden, Großbritannien stünden schwierige Zeiten bevor. Durch den publizierten Plan, gedeckelte Energiepreise mit 100 MrdGBP (88 MrdE) zu subventionieren, dazu aber Steuersenkungen zu implementieren, wurde das Gegenteil erreicht. Die Auswirkungen an den Finanzmärkten waren verheerend. Umgehend kürzte die Ratingagentur Moody‘s die Wachstumsprognose für 2023 von +0,9 % auf nur noch +0,3 %. Nach Angaben der Tageszeitung The Guardian werde der enorme Finanzierungsbedarf das britische Staatsbudget jährlich umgerechnet um weitere 26 bis 44 MrdE belasten. Dass die Deutsche Bank auf Millionen Briten eine „Zeitbombe an Hypothekenzinsen“ zukommen sieht, heizte die Situation an.

Eingriffe mit erprobten Werkzeugen 

Notenbanken intervenieren direkt oder indirekt. Die direkte Variante bezeichnet einen tatsächlichen „operativen“ Eingriff, indem sowohl die lokale als auch die ausländische Devise gekauft bzw. verkauft wird, um einen Zielkorridor zu erreichen. Die indirekte Variante einer bloßen Androhung einer Intervention („Jawboning Intervention“) beeinflusst oft vorab die Märkte in die gewünschte Richtung, da die Trendfolger-Marktteilnehmer sich zurückziehen, um nicht überrascht zu werden. Da-rüber hinaus sind konzertierte Aktionen mehrerer Notenbanken denkbar, um gleichzeitig einer unerwünschten Entwicklung ein Ende zu setzen. Dabei werden die verbale Androhung und der tatsächliche Markteingriff dual eingesetzt. Schließlich bleibt die zweistufige, „bereinigte“ Methode („sterilizied Intervention“), um die eigene Geldmengenbasis nicht zu beeinflussen. Die ausländische Währung wird angekauft bzw. verkauft, um in einem zweiten Schritt im selben Umfang Staatspapiere zu erwerben bzw. zu veräußern.


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