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Industrieproduktion auf dem Prüfstand

Michael Kordovsky | Börsen-Kurier 

Stärkesignale aus China, zarte Hoffnungen in Europa, Abkühlung in den USA.

Geht es um die Produktionswirtschaft, so dominiert hier China bereits wichtige Branchen: Im Jahr 2022 lag der Anteil an der weltweiten Produktion von Rohstahl bei 54 %. In der Zementproduktion sind es bereits 60 % und bei Spielzeug mehr als 70 %.  

Doch wie ist es derzeit um Chinas Industrie bestellt? Vom vierten Quartal 2023 bis zum ersten Quartal 2024 beschleunigte sich das Wirtschaftswachstum um 0,1 auf 5,3 % und lag weit über dem Schätzungskonsens der von Reuters befragten Volkswirte, die nur von 4,6 % ausgingen. Für eine positive Überraschung sorgte dabei ein Anstieg der Industrieproduktion von 6,1 % im ersten Quartal, was vor allem durch einen Wachstumsschub bei 3D-Druck-Ausrüstung, Ladestationen für E-Autos und elektronische Komponenten ermöglicht wird. 

Wirft man einen Blick auf den Einkaufsmanagerindex für die Industrie, so stieg dieser im März 2024 von 49,1 auf 50,8 Punkte und markierte damit die erste Expansion in sechs Monaten und gleichzeitig den höchsten Stand seit einem Jahr. Besonders die Verbesserung bei den Auftragseingängen und Exportaufträgen war stark. 

US-Produktionswirtschaft schwächelt

In den USA ist die Industrie derzeit eine Schwachstelle. Vom vierten Quartal 2022 auf das vierte 2023 schrumpfte die Industrieproduktion um 1,9 %, und im ersten Quartal 2024 ging es mit -1,8 % weiter bergab. Im Bekleidungsbereich war zuletzt eine zweistellige Schrumpfung zu sehen, und auch rückläufige Entwicklungen in der Produktion von Möbel- und Einrichtungsgegenständen. Der Konsumgüterbereich ist zuletzt konstant leicht rückläufig. Besser entwickelten sich der Haushaltselektronik-Markt und der IT-Bereich. 

Und was sagt der von S&P Global veröffentlichte Einkaufsmanager-Index für die US-Produktionswirtschaft? Nimmt man den vorläufigen Bericht, der am 23. April veröffentlicht wurde, heran, so zeigt sich in der Privatwirtschaft eine Abschwächung auf breiter Front. Der US-Manufacturing PMI fiel von März auf April von 51,9 Punkten auf ein Vier-Monats-Tief von 49,9 Punkte (somit bereits marginal im Kontraktionsbereich). Und geht man nur der simplen Frage nach, ob der Output-Level höher, gleich oder niedriger ist als im Vormonat, dann zeigt sich ebenfalls ein kräftiger Rückschlag auf ein Drei-Monats-Tief. 

Euroraum: Warten auf eine Erholung

Seit März 2023 schrumpft mit Ausnahme von April und Dezember 2023 jeden Monat die Industrieproduktion der Eurozone (ER 20). In den Monaten Jänner und Feber 2024 lagen die Rückgänge im Vergleich zum Vorjahresmonat bei jeweils 6,6 bzw. 6.4 %. Was dabei auffällt, ist der starke Einbruch bei Investitionsgütern um 8,9 % im Feber, während der Produktionsrückgang bei Vorleistungsgütern und Gebrauchsgütern bei jeweils 2,7 bzw. 4,3 % lag. 

Zeitnähere Daten liefert der von S&P Global veröffentlichte „HCOB Flash PMI Eurozone“: Hier sieht die Situation etwas komplexer aus. Während im April 2024 der Flash-Eurozone-Index für die Industrieproduktion bereits mit 47,3 Punkten ein Zwölf-Monats-Hoch erreichte, war der „HCOB Flash Eurozone Industrie PMI“ weiter auf ein Vier-Monats-Tief rückläufig. Die Industrieproduktion ist im April bereits den 13. Monat in Folge zurückgefahren worden, aber das Tempo des Rückgangs hat sich auf das niedrigste Niveau seit zwölf Monaten verlangsamt. 

Kritisch stimmt hingegen ein beschleunigter Auftragsrückgang in der Industrie und der Lagerabbau setzt sich weiter fort. Doch es ist Licht am Ende des Tunnels zu sehen: Die Geschäftsaussichten binnen Jahresfrist verbesserten sich auf den höchsten Wert seit Feber 2023. 

Schlussfolgerung: China bleibt dominant

Dass China am Rohstoffmarkt wieder zunehmend ein Faktor auf der Einkaufsseite werden kann, aber gleichzeitig in China der High-Tech-Bereich im Industriesektor stark anspringt, bedeutet für Eu-ropa eine Doppelkonkurrenz: Erstens Mitbewerb um Hightech-Produkte vor allem im zuletzt schwachen Investitionsgüterbereich, und zweitens könnte ein Kampf zwischen der westlichen Welt und China um die Versorgung der Industrie mit dringend benötigten Rohstoffen ausbrechen.

 

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