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Digitalisierung bietet Möglichkeiten aber auch neue Risiken

Manfred Kainz | Börsen-Kurier

Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA ist mit Brexit, Krypto Assets und MiFID 2 beschäftigt.

Der Brexit wirft lange Schatten: Dass die kontinentaleuropäischen Handelsteilnehmer nicht mehr Zugang in die Clearingsysteme des Marktes Großbritannien haben. Dieses Szenario sei aus Sicht der Wertpapiermärkte eines der höchsten Risiken bei einem Hard (also No Deal-)Brexit. Das meinte Verena Ross, Executive Director der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA, anlässlich einer Diskussion zum Thema Spielregeln am Finanzmarkt bei einem Kongress in der Wiener Hofburg. Ebendiesen wichtigen Zugang zu den Britischen Clearingsystemen weiterhin zu ermöglichen, sei daher „eines der Hauptprobleme, das wir angegangen sind“, berichtet sie über die hochaktuelle Hintergrundarbeit ihrer Europäischen Dachaufsicht. Das Clearing in Großbritannien sei stark abhängig von direkter täglicher ESMA-Überwachung, dann eben auch von „Drittstaats Central Counterparties“. Dafür sei „wichtig, dass wir auf der Überwacherseite gut weiter zusammenarbeiten.“ Damit meint Ross auch die Kooperation mit den Kollegen der Behörden in Großbritannien. Aber auch bei den anderen 27 Members herrsche Solidarität. Alle seien darauf bedacht, den Single Market und den Kapitalmarkt zu schützen, aber auch die Beziehungen mit dem britischen Markt zu erhalten. Deshalb bleibe die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei der Finanzmarktüberwachung „enorm wichtig“. So habe man Stresstests für den Clearingbereich und Fonds mit Szenarien gemacht, die „streng aber realistisch“ waren, um mögliche kommende Realitäten widerzuspiegeln. Ziel sei jedenfalls eine „Temporary Recognition“ der britischen Clearinghouses, damit die europäischen Unternehmen auch weiterhin die Möglichkeit haben, ihre Geschäfte mit eben diesen abzuwickeln.

Umsiedelungen

Der Brexit habe noch eine weitere Dimension. Es gehe um den Zugang, die Überwachung und die Zulassung von Britischen Unternehmen zu „Relokalisierungen“ in den EU27-Raum, damit sie dort ihre Geschäfte fortführen können, was die meisten ja wollen. Auch da sei Solidarität gegen ein Auseinanderdividieren gefragt. „Es darf keine Regulatory Arbitrage und kein Race to the Bottom geben“, mahnt Ross. Nationale Stellen und Entscheider dürften regulatorisch nicht schwach werden, wenn es um Ansiedelung von Interessenten aus Großbritannien geht. „Post Box Entities wollen wir verhindern“, stellt Ross klar; also keine Nur-Postadressen Britischer Häuser am Kontinent. Diese Meinung der ESMA werde von allen nationalen Behörden unterstützt: Es müssen „Minimum Requirements“ bei Ansiedelungen erfüllt werden; etwa, dass die Entscheidungsfindung, die Governance, die Haupttätigkeit und das Hauptpersonal in der EU27 sein müsse. Es müssen also die betreffenden Organsiationseinheiten aus Großbritannien in die EU27 verlegt werden, damit man dort nach dem Brexit Finanzdienstleistungen erbringen darf.

Äquivalenz muss bleiben

Und letztlich seien mit dem Brexit auch profane Vorarbeiten auf Behördenebene verbunden: Es seien „operationelle Dinge, wenn es um die IT-Systeme und um den Austausch von Daten geht, vernünftig zu planen“. Insgesamt glaubt Ross, dass ein Hard Brexit nur „schwer ohne Turbulenzen abzuhandeln“ sei, daher sei ihre Behörde darauf konzentriert, den Hauptturbulenzen entgegen zu wirken, eben den obengenannten. Dem Risiko, dass sich das britische Rechtssystem und die Rechtsauslegung nach dem Brexit in eine andere Richtung entwickelen, müsse mit „regelmäßigem Monitoring des Äquivalenzprinzips“ entgegengewirkt werden.

Möglichkeiten und Risiken

Bei einem weiteren Thema, deren Entwicklung unaufhaltsam ist, sieht Ross Licht- und Schattenseiten: „Die Digitalisierung bietet den  Endkunden des Finanzmarktes enorme neue Möglichkeiten“, nicht nur mehr Produkt- und Servicevielfalt wie Robo Advisors, die derzeit meist eine „Mischform“ aus elektronischer Abwicklung und Beratung seien; sondern auch was die Transparenz und Kostenreduzierung betrifft.

Es gibt aber auch neue Risiken. Mit neuen Technologien und Produkten wachse auch die Herausforderung, damit umzugehen: Wo sind Risiken, wo braucht es Regulierung und was ist von jetziger Regulierung abgedeckt. Deshalb „schauen wir Finanzinnovationen genau an, um gemeinsam festzustellen, ob die jeweilige Finanzinnovation in unsere Regulierungsrahmen passt oder nicht“. Wenn nicht, müsse man überlegen, welche Möglichkeiten des Umganges  es damit gäbe. Die ESMA-Direktorin nennt ein Beispiel: Aktuell gibt es nationale Aktivitäten, Krypto Assets zu regulieren. „Wir sind für einen gemeinsamen Regulierungsrahmen.“ Daher habe ihre Behörde der Europäischen Kommission diese ihre Meinung plus Ratschläge für das gemeinsame Angehen des Themas Krypto Assets gegeben. Jetzt gehe es darum zu prüfen, wie man dort, wo es keinen gemeinsamen Regulierungsrahmen gibt, weiter vorgehen wolle.

Schnelligkeit gefragt

Die von Facebook avisierte Kryptowährung Libra(coin) etwa sei eine „neue Sache, wo wir international noch am Verstehen sind, was diese Idee bedeutet“. Denn Facebook mit seinen 2,8 Mrd Usern habe entsprechend starkes Potenzial. Das sie schon eine „andere Dimension“ als bei anderen neuen Finanzprodukten. Und so empfiehlt Ross im Zusammenhang mit Regulierung von Krypto Assets: Das müsse die neue EU-Kommission „schnell angehen“. Denn auch die Marktinnovationen entwickeln sich schnell. Es gebe zwei Möglichkeiten damit umzugehen: Entweder den bestehenden Rechtrahmen nützen, oder einen gemeinsamen auf EU-Ebene schaffen. „Mein Ansatz ist, dass gleiche Geschäfte regulatorisch gleich behandelt werden, egal wer es macht“, so die ESMA-Direktorin. Wer das gleiche Finanzgeschäft macht, solle der gleichen Regulierung unterliegen.

Besser statt mehr

Mit Blick auf die Kritik an überbordenden Regeln der MiFID 2 meint Ross zwar, dass für Endinvestoren „weniger manchmal mehr“ wäre. Aber gerade der Endkunde brauche korrekte und umfassende Informationen um eine fundierte Entscheidung treffen zu können. Trotzdem will sie die Kritiken pragmatisch berücksichtigen: „Wir schauen, was wir spezifizieren müssen.“ Denn schließlich gehe es um „nicht immer mehr, sondern bessere Informationen“.

 

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