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„Die Fragen der Aktionäre müssen beantwortet werden“

Patrick Baldia | Börsen-Kurier

Die Rechte der Aktionäre bei HVs erläutert Rechtsanwalt Stephan Pachinger im Gespräch mit dem Börsen-Kurier.

Patrick Baldia. Die HV-Saison 2019 ist mittlerweile voll im Gange. Wie wichtig es gerade für Privataktionäre sein sollte, der Jahresversammlung beizuwohnen, bekräftigte nicht zuletzt Rupert-Heinrich Staller im Interview mit dem Börsen-Kurier vergangene Woche: „Nirgendwo sonst kann sich der Privataktionär besser und direkter einen Eindruck über sein Unternehmen verschaffen.“ In dieser Ausgabe sprachen wir mit Stephan Pachinger, der ist Rechtsanwalt und Partner bei Freshfields Bruckhaus Deringer, über die Rechte der Aktionäre bei HVs. 

Börsen-Kurier: Herr Pachinger, zu den wichtigsten Rechten der Aktionäre auf HVs gehört das Fragerecht. Was bedeutet das konkret - muss der Vorstand bzw. Aufsichtsrat dem Fragesteller überhaupt eine Antwort geben? 

Stephan Pachinger: Jedem Aktionär muss auf dessen Verlangen in der HV Auskunft über Angelegenheiten des Unternehmens gegeben werden, soweit dies zur sachgemäßen Beurteilung eines Tagesordnungspunkts erforderlich ist. Die Auskunft darf beispielsweise nur dann verweigert werden, wenn dies strafbar wäre oder sie dem Unternehmen schaden würde. In der Regel ist der Vorstand als Vertreter der Gesellschaft auskunftsverpflichtet, in bestimmten Fällen auch der Aufsichtsrat. Verweigert der Vorstand oder Aufsichtsrat die Auskunft unberechtigterweise, dann kann dies zur Anfechtbarkeit des betreffenden Beschlusses führen. Die Auskunftserteilung kann zudem durch Verhängung von Zwangsstrafen durchgesetzt werden.  

Börsen-Kurier: Hat jeder Aktionär ein Stimmrecht? Und was beinhaltet es genau?

Pachinger: Grundsätzlich ja, sofern er nicht stimmrechtslose Vorzugsaktien besitzt. Das Stimmrecht richtet sich nach dem Verhältnis der Aktiennennbeträge, bei Stückaktien nach deren Zahl. Davon abweichend können in der Satzung auch Höchststimmrechte oder abgestufte Stimmrechte vorgesehen werden. Mehrstimmrechte sind nach österreichischem Aktienrecht unzulässig.

Wer als Aktionär zur HV ordnungsgemäß angemeldet ist, kann selbst oder durch einen Vertreter an den Abstimmungen mitwirken. Das Stimmrecht kann grundsätzlich frei ausgeübt werden. Allerdings sind dem durch das Gesetz und die guten Sitten Grenzen gesetzt. Stimmverbote bestehen bei bestimmten Interessenkonflikten. Das Stimmrecht kann etwa in Bezug auf von der Gesellschaft selbst gehaltenen eigenen Aktien, Verstöße gegen übernahmerechtliche Vorschriften oder die Verletzung von kapitalmarktrechtlichen Meldepflichten zeitweise ruhen. 

Börsen-Kurier: Ab welchen Stimmenanteilen werden Beschlüsse durchgewinkt? 

Pachinger: HV-Beschlüsse bedürfen grundsätzlich der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Da aber die Präsenzquote oftmals niedrig ist, genügt in der Praxis oft auch eine Beteiligung von deutlich weniger als 50 % am Grundkapital. In zahlreichen Fällen sieht das Gesetz allerdings höhere Mehrheitserfordernisse vor, wie etwa bei Beschlüssen über eine Verschmelzung, Spaltung oder über einen Bezugsrechtsausschluss bei Kapitalerhöhungen. 

Börsen-Kurier: Welche Folgen hätte es etwa, wenn die Mehrheit der Aktionäre dem Vorstand und/oder Aufsichtsrat nicht entlastet oder einen Dividendenvorschlag ablehnt?

Pachinger: Mit der Entlastung billigt die HV pauschal Vorstand und Aufsichtsrat. Nach der nicht unstrittigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs führt eine von allen Aktionären beschlossene Entlastung zum Verzicht der Gesellschaft auf Ersatzansprüche gegen die entlasteten Organmitglieder, soweit die Ansprüche den Aktionären bei sorgfältiger Prüfung der vorgelegten Unterlagen und ihnen erstatteter Berichte erkennbar waren. Die Verweigerung der Entlastung bildet für sich allein noch keinen wichtigen Grund für eine vorzeitige Abberufung des betroffenen Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieds. Sie hat daher zunächst vor allem Signalwirkung. Weder für das Organ noch für die Gesellschaft ist sie in der Regel vorteilhaft. 

Wird hingegen der Dividendenbeschluss abgelehnt, entsteht der konkrete Dividendenanspruch nicht. Einen Anspruch auf einen positiven Dividendenbeschluss gibt es nicht. Praktisch gesehen könnte ein Antrag zum Tagesordnungspunkt mit Angabe der stattdessen beantragten Dividende hilfreich sein.

Börsen-Kurier: Was bedeutet es konkret, Widerspruch zu Protokoll zu geben?

Pachinger: Der Widerspruch zu Protokoll ist grundsätzlich die Voraussetzung für eine spätere Anfechtung des betreffenden Beschlusses. Der Widerspruch ist in der HV zu erheben. Ein bestimmtes Form- oder Inhaltserfordernis besteht nicht. Mit dem Widerspruch bringt der Aktionär - für ihn unverbindlich - zum Ausdruck, dass er sich gegen den Beschluss rechtlich zur Wehr setzen wird.


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