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Die Fed interveniert wieder

Michael Kordovsky | Börsen-Kurier

Die Liquiditätsspritze vom September war nur der Auftakt von Eingriffen

Noch vor rund einem Jahr waren die Schrumpfung der Bilanzsumme der Fed und mögliche weitere Zinsanhebungen das Börsenthema. Am Höhepunkt im Jahr 2015 lag die Bilanzsumme der Fed bei mehr als 4,5 Bio. USD und vom 24. Oktober 2018 bis zum 28. August 2019 schrumpfte sie von 4,17 auf 3,76 Bio. USD, ehe bis 23. Oktober 2019 wieder ein Anstieg auf 3,97 Bio. USD folgte, was auf die im September eingesetzten Repo-Geschäfte zurückzuführen ist. Gleichzeitig hat die Fed beginnend mit 31. Juli bereits zweimal die Leitzinsen von ursprünglich 2,25 bis 2,50 auf zuletzt 1,75 bis 2 % gesenkt.

In den USA sollten für gewöhnlich die Geldmarktzinsen oberhalb des Leitzinsbandes der Fed-Fund-Rate, aber unterhalb der Discont Rate liegen, zu der die Fed als „lender of last resort“ den Banken im Falle von Liquiditätsengpässen Gelder leiht. Seit 19. September liegen hier die Zinssätze zwischen 2,50 (Primary Credit) und 3 % (Secondary Credit). Zuvor betrug die Zinsspanne 2,75 bis 3,25 %. Doch am 16. September führten Liquiditätsengpässe plötzlich zu einem explosionsartigen Anstieg des Übernacht-Geld-Zinssatzes SOFR (der Secured Overnight Financing Rate) auf zwischenzeitlich 8,5 % (Tagesschussbasis 5,25 %).

Die Fed musste handeln und zum ersten Mal seit der Finanzkrise (vor knapp elf Jahren) wieder am sogenannten „Repo-Markt“ eingreifen nachdem die Banken untereinander die Lage nicht mehr in den Griff bekamen.

Den Auftakt zu aktuellen Eingriffen lieferte sie um den 16. September herum als sie 75 Mrd. USD zur Verfügung stellte, von denen Banken 53 Mrd. USD auch in Anspruch nahmen. Seither interveniert die Fed wieder laufend und ihre Bilanzsumme ist entsprechend gestiegen.

Hintergrund: Normalerweise leihen sich die Banken gegen Sicherheiten hier am Geldmarkt gegenseitig die gewünschten Beträge. Die Fed greift nur in Notsituationen ein. Am Repo-Markt übergibt die kreditnehmende Bank dem Gläubiger (andere Bank oder Fed) meist kurzlaufende US-Staatsanleihen als Sicherheit, die sie mit der Tilgung der Schulden wieder zurückbekommt. Dieser Vorgang (Repurchasing, Rückkauf) gibt dem Markt den Namen, nämlich Repurchase Market, dessen Kurzbezeichnung "Repo" lautet.

Liquiditätsengpässe

Weder ein Bankrun setzte ein, noch gab es größere Bonitätsverschlechterungen bei US-Staatsanleihen. Der jüngste Liquiditätsengpass am US-Geldmarkt war auf folgende Konstellation zurückzuführen: Die Quartalszahlungen vierteljährlich fälliger Unternehmenssteuern erzeugen von Natur aus am Ende eines Quartals kleinere Zinsspitzen in der Overnight-Zinskurve. Gleichzeitig mussten Banken und andere Investoren den Kauf von US-Staatsanleihen im Wert von 78 Mrd. USD abwickeln. Hinzukam, dass die von den Banken bei der Fed geparkten Reserven mit 1,47 Bio. USD so niedrig ausfielen wie seit 2011 nicht mehr und rund 50 % unter ihrem Höchstwert von 2014 lagen. Zu allem Überdruss fiel der kritische Tag auf einen Bankfeiertag in Japan. Die Japaner freuen sich nämlich über höhere Dollarzinsen und sind als Anleger deshalb für US-Banken eine wichtige externe Geldquelle. Am 16.9. waren sie aber nicht aktiv.

Zumindest „QE-lite“

Zwischenzeitlich hat die Fed die Lage am Geldmarkt wieder entspannt und die Zinsen bewegen sich dort wieder zwischen 0 und 2 %. Doch angesichts im historischen Vergleich dermaßen niedriger Reserven der Banken bei der Fed bleiben die Währungshüter vorsichtig. Die Interventionen am Repo-Markt sollen laut Aussagen mindestens bis Jänner 2020 andauern. Vor wenigen Tagen hob die Zentralbank das Cashlimit für Tagesgeldgeschäfte im Oktober von 75 auf 120 Mrd. USD und jenes zweiwöchiger Repo-Geschäfte von 35 auf 45 Mrd. USD an. Hinzukommen seit Oktober monatliche Anleihenkäufe in Höhe von 60 Mrd. USD. Kurzlaufende Treasury-Bills sollen bis ins zweite Quartal akkumuliert werden. Ziel ist, einen von Banken bei der Fed gehaltenen Reservelevel zu erreichen, der ausreicht um die Geldmarktzinsen in der angepeilten Bandbreite zu halten.

Unser Fazit

Wir sind bereits auf der Stufe einer „Lightversion“ des Quantitative Easings angelangt und für den Fall, dass die US-Wirtschaft auf eine Rezession zusteuert ist wieder das gesamte Repertoire an Notenbankmaßnahmen plus eine Reihe „neuer Tricks“ (negative Leitzinsen in den USA) zu erwarten.

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