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Der Albtraum-Sommer für Airlines

Jens Korte | New York | Börsen-Kurier

Am vergangenen „4th of July“-Wochenende haben sich ersten Schätzungen zufolge mehr als 42 Mio. Amerikaner auf die Straße begeben, um am Feiertag Familie und Freunde zu besuchen. Das ist ein neuer Rekord. Für die Fluggesellschaften war es eines der verkehrsreichsten Wochenenden seit dem Jahr 2000. Damit sind die Airlines ähnlich wie in Europa komplett überfordert. Mehr als 12.000 Flüge waren bereits bis Sonntagmittag verspätet. Mehr als 1.000 Flüge wurden komplett gestrichen. Der Online-News-Dienst Axios schrieb von einem „flight-mare“, also einem regelrechten Albtraum der Lüfte.

Trotz Inflation und Rekordbenzinpreisen lassen sich die Amerikaner nicht vom Reisen abhalten. Da gilt das Motto: so lange die Zeit genießen, so lange es die langsam wirtschaftlich angespanntere Lage zulässt. Jetzt läge die Vermutung nahe, dass bei der großen Nachfrage die Aktien der Reisebranche hoch im Kurs stehen müssten. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Aktie von American Airlines kostete vor einem Jahr mehr als 20 USD, zum Wochenstart stand der Kurs bei 13 USD. Bei Delta lag der Kurs vor einem Jahr bei mehr als 40 USD. Zuletzt gab es das Papier für weniger als 30 USD.

Wie in Europa wurden in den USA mit der Pandemie tausende Flugbegleiter und Piloten gekündigt. Jetzt ist die Nachfrage wieder schnell zurückgekommen, doch es fehlt das Personal. Bei Piloten greifen die Fluggesellschaften jetzt tiefer in die Tasche. United Airlines bietet eine 14-prozentige Gehaltserhöhung. American gab Ende vergangener Woche ein Angebot ab. Das Grundgehalt der Piloten soll in den nächsten zwei Jahren um 17 % angehoben werden. Es wird sich zeigen, ob die Piloten die Notlage zu einem noch höheren Pokerspiel ausnutzen. Wer letztlich für die Rechnung aufkommt, ist auch offensichtlich. Schon im Mai waren die Ticketpreise in den USA gegenüber dem Vorjahr um mehr als 40 % gestiegen. 

Es ist eine Situation, in der weder Airlines noch Passagiere und bisher auch Aktionäre happy sind. Ausnahmen bestätigen die Regel: Auf einem völlig überbuchten Flug von Grand Rapids im Bundesstaat Michigan bot Delta Passagieren bis zu 10.000 USD pro Kopf, sollten sie auf den Flug verzichten. Dass viele Flüge gnadenlos überbucht werden, wirft kein gutes Licht auf die Industrie. Während der Pandemie haben die US-Airlines 54 Mrd. USD an Staatshilfe kassiert und dennoch zehntausende Mitarbeiter gefeuert. Wie groß der Engpass ist, zeigt sich gut bei American. Allein vergangene Woche Freitag waren fast 1.000 Flieger verspätet. Das entspricht etwa einem Drittel des Flugplans der größten US-amerikanischen Fluggesellschaft.


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