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Experte: Bei Bahnausbau von der Schweiz lernen, nicht Deutschland

24.05.2024, 15:52:00

Wissenschafter: Schweizer Bundesbahnen zeigen "wie staatlich organisiertes Bahnsystem höchst effizient, nahezu flächendeckend und mit breiter Akzeptanz betrieben werden kann"

Beim Bahnausbau soll Österreich laut Expertenmeinung von der erfolgreichen Bahnpolitik in der Schweiz und Misserfolgen in Deutschland und Großbritannien lernen. Täglich würden die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) unter Beweis stellen, "wie ein staatlich organisiertes Bahnsystem höchst effizient, nahezu flächendeckend und mit breiter Akzeptanz seitens der Bevölkerung betrieben werden kann", so der deutsche Wissenschafter Tim Engartner bei einer AK/vida-Podiumsdiskussion.

Die SBB beherzige beim Ausbau des Regional- und Nahverkehrs in der Schweiz "ein ehernes Gesetz der Verkehrswissenschaft: Angebot schafft Nachfrage", sagte der Professor für Sozialwissenschaften an der Universität zu Köln. In vielen EU-Staaten seien hingegen immer mehr Strecken stillgelegt worden.

Engartner ist ein Kritiker der seit 20 Jahre laufenden Eisenbahnliberalisierung in der EU. "Das von der EU-Kommission verfolgte Ziel, wonach Eisenbahnverkehrsunternehmen markt- und gewinnorientiert im Wettbewerb agieren sollen, verkennt die zahlreichen anerkannten Besonderheiten des Schienenverkehrssystems wie etwa Trassenvergabe oder integraler Taktfahrplan", so der Wissenschafter. "Ohne ein technisch funktionierendes, preislich attraktives und flächendeckendes Bahnsystem" lasse sich aber die Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene nicht umsetzen. Der Wettbewerb zwischen den Bahnunternehmen finde vor allem über die Personalkosten statt, weil die Kosten für Züge und Waggons, Trassenkosten und Energie für alle Unternehmen ähnlich seien, kritisierte der Wissenschafter.

Der SPÖ-Spitzenkandidat für die EU-Wahl, Andreas Schieder, warnte bei der Podiumsdiskussion am Freitag davor, dass beim Bahnausbau in der EU teils chinesische Bahn-Fahrzeughersteller und -Zulieferer Aufträge bekommen könnten und dadurch Wertschöpfung aus Europa abfließe. Es brauche bei Ausschreibungen "Bonuspunkte" für "Made in Europe". Schieder hat am Donnerstag bei einer Pressekonferenz bereits ein 5-Punkte-Programm für die Zukunft des Bahnverkehrs in Europa vorgestellt. Die Hauptforderungen: Keine weiteren Privatisierungen der Eisenbahn, Fliegen soll durch die Einführung einer Kerosinsteuer verteuert und Privatflüge eingeschränkt oder verboten werden.

Auch vida-Gewerkschafter Gerhard Tauchner sieht die Bahnliberalisierung kritisch. "Insbesondere die langen Arbeitszeiten im Schichtdienst ohne behördliche Kontrollmöglichkeiten befeuern Lohn- und Sozialdumping im interoperablen Schienenverkehr", sagte Tauchner bei der Diskussionsveranstaltung. Der Gewerkschafter fordert deswegen einheitliche europäische Ausbildungs- und Sicherheitsstandards, aber auch eine digitale Aufzeichnung der Arbeitszeit für Lokführerinnen und Lokführer, wie das bei den Lkw-Lenkern "längst selbstverständlich sei.

cri/tsk

 ISIN   
 WEB   http://www.vida.at
       http://www.arbeiterkammer.at


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Quelle: APA, Meldungen der letzten 4 Wochen