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Immofinanz-Prozess - Angeklagte standen Rede und Antwort

29.11.2023, 16:40:00

Petrikovics und Thornton stellten sich Fragen des Senats, Staatsanwältinnen und Schöffen - Mündliche Darlehensverträge in Millionenhöhe seien "state of the art" gewesen

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AKTUALISIERUNGS-HINWEIS
Neu: Titel, Untertitel, Aussagen des Angeklagten Thornton, Zusammenfassung nach Verhandlungsende
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Am zweiten Tag des Immofinanz-Strafprozesses am
Wiener Landesgericht sind die Angeklagten zu Wort gekommen. Mehrere
Stunden standen Karl Petrikovics, ehemaliger Chef der Constantia
Privatbank, der Immofinanz und Immoeast sowie der
Ex-Immoeast-Manager Christian Thornton im Fokus der Befragung. Sie
legten jeweils ihre Sicht auf die Vorgänge in den Gesellschaften und
ihre Rolle dabei dar. Den beiden wird Untreue und Bilanzfälschung
vorgeworfen, sie bestreiten alle Vorwürfe.
Petrikovics selbst, der als "Mastermind" und "Alleinherrscher" im
Konzerngeflecht galt, erklärte die Vorgänge unter anderem damit,
dass man durch eine milliardenschwere Kapitalerhöhung bei der
Immoeast mehr Geld zur Verfügung gehabt habe, als man in Projekte
habe investieren können. Aus diesem Grund seien sogenannte
Barvorlagen, also kurzfristige Darlehen, an die
Tochtergesellschaften der Constantia Privatbank vergeben worden, um
eine bessere Verzinsung zu erzielen. Diese Firmen haben mit den
Geldern wiederum Aktien der Immoeast und der Immofinanz gekauft.
Diese Veranlagungspolitik habe auf der Sicherheit aufgebaut, die man
damals Immobilienaktien zugeschrieben habe. "Dass mit der
Lehmann-Pleite 2008 eine 'Atombombe' auf den Markt geschmissen
wurde, konnte niemand vorhersehen", sagte Petrikovics.
Thornton sah das in seiner Befragung anders: "Spätestens im Juni
2007 hat es Anzeichen gegeben, dass sich der Markt verschlechtert",
sagte der Ex-Immoeast-Manager. Darüber habe er Petrikovics auch
informiert. Die Verwerfungen in den USA (Stichwort: Subprime-Krise)
mussten auch Auswirkungen auf Europa und Österreich haben, das sei
absehbar gewesen, so Thornton. Ab dem Frühjahr 2007 war ein
drastischer Anstieg der Zahlungsausfälle auf dem US-Markt für
Hypothekenkredite mit geringer Bonität ("Subprime") zu beobachten
gewesen. Die sogenannte Subprime-Krise in den USA erfasste ab Mitte
2007 auch die Finanzmärkte anderer Industriestaaten und löste in der
Folgezeit eine weltweite Finanzkrise aus.
Thornton habe sich zwar bereits Mitte 2007 Sorgen um die
Liquidität der Immoeast gemacht. Bei möglichen Ausfällen bei der
Rückzahlung der Darlehen wäre nach seinem Verständnis aber die
Muttergesellschaft, also die Constantia Privatbank, eingesprungen.
Ähnlich argumentierte auch Petrikovics. Entgegen der Auffassung
der Staatsanwaltschaft seien die gewährten Darlehen nicht
unbesichert gewesen, sagte der ehemalige Immofinanz-Chef. Die
Constantia Privatbank - "eine sehr erfolgreiche Bank" - habe über
Managementverträge mit Immofinanz und Immoeast auch für ihre Töchter
gehaftet und damit auch für deren Verbindlichkeiten gegenüber den
Immo-Gesellschaften.
Auf die Frage, warum es keine schriftlichen Darlehensverträge
gegeben habe, begründete Petrikovics dies wiederum mit einer
Errichtungsgebühr von 1,1 Prozent der Darlehenssumme, die bei einer
Verschriftlichung fällig geworden wäre und die damit die
Wirtschaftlichkeit der Darlehen konterkariert hätte. Das sei damals
"state of the art", also üblich, gewesen. Das bestätigte auch
Thornton in seiner Befragung.
Thornton wies zudem den Vorwurf der Staatsanwaltschaft zurück, er
habe zur mutmaßlichen Untreue von Petrikovics beigetragen, indem er
maßgeblich an der Umsetzung der Darlehenskonstruktion und der
Auswahl der involvierten Unternehmen beteiligt gewesen sei. Er sei
weder in geschäftspolitischen Entscheidungen eingebunden gewesen,
noch habe er Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Petrikovics'
Aufträgen oder den Eindruck gehabt, dass der Immoeast und der
Immofinanz daraus ein Schaden entstehen könnte. Er habe auch keinen
finanziellen Vorteil aus seinen Handlungen gezogen.
15 Jahre nach Beginn der Ermittlungen findet nun der zweite
Immofinanz-Prozess statt. Die Staatsanwaltschaft Wien wirft den
ehemaligen Managern Karl Petrikovics und Christian Thornton Untreue
mit einem Schaden von rund 836 Mio. Euro und Bilanzfälschung vor.
Durch den Immofinanz-Skandal wurden infolge der Finanzkrise Tausende
Privatanlegerinnen und Privatanleger geschädigt. Die Angeklagten
bestreiten alle Vorwürfe, sie haben sich für nicht schuldig bekannt.
Laut Anklage haben Immofinanz und Immoeast im Jahr 2007 über
Umwege mehrere Millionendarlehen an Töchter der Constantia
Privatbank vergeben, die damit wiederum Immofinanz- und
Immoeast-Aktien gekauft haben. Diese Vorgangsweise habe den
Börsenkurs beeinflusst, so die Staatsanwaltschaft. Die
Gesellschaften, die die Darlehen erhielten, hätten aber kein
nennenswertes Vermögen gehabt. Es habe sich um unbesicherte Darlehen
gehandelt und weder der Aufsichtsrat noch die anderen Vorstände
seien informiert gewesen, so der Vorwurf. Zudem habe die
Vorgangsweise gegen das Verbot des Erwerbs eigener Aktien verstoßen.
Staatsanwältin Konecny sprach am ersten Verhandlungstag wiederholt
vom "Tarnen, Täuschen und Verschleiern" durch die beiden
Angeklagten.
sag/tpo/pro
 ISIN  AT0000A21KS2
 WEB   http://www.immofinanz.com


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Quelle: APA, Meldungen der letzten 4 Wochen