Michael Kordovsky | Börsen-Kurier
Leitzins-Update: Entwickelte Länder in unterschiedlichen Phasen des Zyklus.
Laut Schnellschätzung von Eurostat war die Inflation infolge stärker fallender Energiepreise von September auf Oktober von 2,2 auf 2,1 % rückläufig. Bereits im geldpolitischen Kommentar vom 30. Oktober gab die EZB bekannt: „Die meisten Messgrößen der längerfristigen Inflationserwartungen liegen weiterhin bei rund 2 %. Dies begünstigt eine Stabilisierung der Inflation in der Nähe unseres Zielwerts.“ Und in einem am 11. November auf der Webseite der EZB veröffentlichten Interview kommentierte Direktoriumsmitglied Frank Elderson: „Unsere Geldpolitik befindet sich in einer guten Position. Es stimmt, dass das wirtschaftliche Umfeld weiterhin unsicher ist, sodass wir uns nicht auf einen vorab festgelegten Zinspfad festlegen können. Wir müssen sicherstellen, dass die Zinsen mit der Erreichung unseres Ziels vereinbar sind, und bisher ist dies der Fall“.
Seine EZB-Kollegin Isabel Schnabel sieht die Inflationsrisiken im Euroraum zunehmend auf der Oberseite. Begründung: Wirtschaftliche Erholung sowie umfangreiche staatliche Ausgaben für Militär und Infrastruktur. Somit dürfte nach acht Leitzinssenkungen im Euroraum die Zinssenkungsphase bereits abgeschlossen sein, während in den USA noch etwas Luft nach unten ist
Zweimal in Folge senkte die Fed mit Bezugnahme auf einen etwas schwächeren Arbeitsmarkt den Leitzins. Mittlerweile steht eine Federal Funds Rate von 3,75 bis 4,00 % einem Einlagenzins der EZB von 2,00 % gegenüber. Seit der letzten Leitzinssenkung der EZB im Juni gab es in den USA zwei Zinsschritte, und der Leitzins-Spread zum Euroraum verringerte sich um 0,5 Prozentpunkte. Auf Jahressicht wertete der Dollar zum Euro bereits um 8 % ab, verharrte aber in den vergangenen Monaten in einer Seitwärtsbewegung auf niedrigerem Niveau. Doch weitere Leitzinssenkungen der Fed könnten den Dollar zum Euro erneut schwächen.
Lage in der Schweiz und in Großbritannien
In den vergangenen drei Monaten wertete der Euro gegenüber dem Schweizer Franken um weitere 1,8 % ab und auf fünf Jahre sind es bereits –14%. Die stille Aufwertung des Frankens setzt sich also weiter fort und dies trotz Null-Leitzinsen seit 16.6.2025. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hatte in sechs Leitzinssenkungen von Juni 2023 bis Juni 2025 ihren Leitzins von 1,75 % schrittweise auf 0 % gesenkt, begründet durch ein moderates Wirtschaftswachstum. Die SNB rechnet für heuer mit 1 bis 1,5 % BIP-Wachstum und – aufgrund der US-Zölle sowie der hohen Unsicherheit – für 2026 mit einem Rückgang auf 1 %. Die Inflationsrate in der Schweiz lag im Oktober nur noch bei 0,1 %.
In Großbritannien hingegen betrug die Inflationsrate im August und September 2025 jeweils 3,8 %; die Bank Rate liegt daher weiterhin bei 4,0 %. Allerdings sind in Großbritannien bereits rückläufige Lohninflationstendenzen zu beobachten, weshalb auch die Dienstleistungsinflation von 4,7 % im September 2025 auf 4,3 % im März 2026 sinken sollte. Hinzu kommen rückläufige Preise für Energie und Brennstoffe, daher erwarten die Volkswirte der Bank of England bis März 2026 einen Rückgang der CPI-Inflation auf 3,2 %. Das würde Spielraum für mögliche Leitzinssenkungen bedeuten.
Japan hat einen anderen Zinszyklus
Anders ist die Situation in Japan, wo sich eine nachhaltige Zinswende nach oben vollzogen hat. Die Rendite 15-jähriger Staatsanleihen stieg auf Jahressicht (bis 13.11.) um 107 Basispunkte auf 2,61 %. Es herrscht bereits eine sehr steile Zinskurve vor. Der 12-Monatszins von 0,74 % steht einer Rendite 30-jähriger Staatsanleihen von 3,2 % gegenüber. Zuletzt konnte sich der Vorstand der Bank of Japan zu keiner Leitzinsanhebung durchringen, war jedoch uneinig. Zwei
Vorstandsmitglieder stimmten gegen gleichbleibende Zinsen von 0,5 %, was manche Experten als Vorzeichen weiterer Leitzinsanhebungen sehen. Vor allem jüngste Yen-Schwäche spricht für eine Leitzinsanhebung.
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