Michael Kordovsky | Börsen-Kurier
Moderate Zölle sind verkraftbar, aber ein „Zollkrieg“ gefährdet das Wachstum.
In der ersten Amtszeit von Donald Trump wurde aus einem Streit um Handelsdefizite mit China rasch eine Serie von Strafzöllen. 2018 traf es Solarzellen, Waschmaschinen, Stahl und Aluminium. 2019 kühlte der globale Handel messbar ab und der weltweite Handelsumsatz in US-Dollar sank um 2,5 %. Parallel dazu verlangsamte sich das BIP-Wachstum in den USA von 3,0 auf 2,6 % und in China von 6,8 auf 6,1 %.
Aktuell geht es hingegen um Zölle auf breiter Front. Historisch war in diesem Zusammenhang der 2. April als Trump neben einem pauschalen Zoll von 10 % auf Importgüter 60 Länder mit „reziproken Zöllen“ auf Grundlage des jeweiligen Handelsüberschusses konfrontierte - um diese dann am 9. April wieder für 90 Tage auszusetzen. Es gab dann noch ein weiteres „Gnadenmonat“, doch seit 7. August gelten neue Einfuhrzölle: Für Länder, mit denen die USA ein Handelsdefizit haben, sind 10 - 41 % vorgesehen. Für die meisten Einfuhren aus der EU liegt die neu ausgehandelte Obergrenze allerdings bei 15 %. Aber 50 % Zoll auf Stahl und Aluminium bleiben.
Besonders hart trifft es die Schweiz mit 39 %, zumal die USA im vergangenen Jahr mit 18,6 % der eidgenössischen Exporte das wichtigste Zielland waren. Die Exporte in die USA belaufen sich sogar auf knapp 7 % des BIP.
Vor allem Pharmaexporte sind für die Schweiz und auch die EU von Bedeutung. Im Jahr 2024 exportierten die EU-Länder laut Eurostat Pharmaprodukte im Wert von knapp 120 MrdE in die USA, importierten aber lediglich pharmazeutische Produkte im Wert von 46 MrdE aus den USA. Das ist Trump ein Dorn im Auge, weshalb er eine mögliche Zollanhebung von 150 und später sogar 250 % auf Pharmaimporte in den Raum stellte.
15 % Zoll noch gut zu verkraften, aber …
Was bedeutet aber der jüngste Deal mit einem fast einheitlichen Zollsatz von 15 % und weiterhin 50 % für Stahl- und Aluminiumerzeugnisse für Europa und Österreich konkret? Die OeNB hat mit einem globalen Input-Output-Modell gerechnet. Ergebnis für Österreich ist ein Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,2 %. Dahinter verbergen sich unterschiedliche Brancheneffekte. Am stärksten ist die reale Wertschöpfung in der Herstellung pharmazeutischer und medizinischer Erzeugnisse mit -2,1 % getroffen, gefolgt vom Bereich „Kraftwagen und Kraftwagenteile“ mit -1,4 % und der Metallerzeugung und Metallbearbeitung mit -0,8 %. Für die Union insgesamt ergibt sich ebenfalls ein BIP-Rückgang um 0,2 % mit starken Unterschieden. Irland ist laut OeNB mit -1,2 % wegen der pharmazeutischen US-Exportstruktur am stärksten betroffen.
Für die gesamte Union liefert das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln eine Größenordnung: Bei einem Zollsatz von 15 % und gleichzeitigem zollfreien Zugang für die USA zum EU-Markt entstünden im Vergleich zu der Situation aus der Zeit vor der Wende der US-Handelspolitik (handelsgewichteter US-Zollsatz von 2,2 %) jährliche Kosten von rund 67 MrdE. In einem Szenario mit Zöllen in Höhe von 35 % steigt der jährliche Verlust auf etwa 175 MrdE bzw. 1 % des BIP des Jahres 2024. Bei Vergeltungsmaßnahmen der EU wären es sogar rund 210 MrdE. Nicht berücksichtigt ist dabei eine weitere Eskalation gegenüber anderen Ländern wie etwa mit der Schweiz.
Größere Herausforderungen für Unternehmen
Der Blick auf die Konjunkturdynamik hilft bei der Einordnung: Höhere Zölle verteuern Importe und wirken kurzfristig inflationär. Mit abkühlender Nachfrage überwiegt jedoch eine disinflationäre Tendenz. Bei einer extremen Eskalation sind deflationäre Effekte nicht auszuschließen.
Für Unternehmen in Europa bedeutet das neue Umfeld drei Dinge: Erstens nimmt die Planungssicherheit ab. Ankündigungen, Aussetzungen und Neujustierungen kommen in kurzen Abständen. Zweitens nimmt der Druck zu, Lieferketten breiter aufzustellen. Drittens werden Verhandlungen über Ausnahmen und Schwellenwerte zum Teil des Tagesgeschäfts. Die Politik wird sich auf zwei Ebenen bewegen müssen, nämlich auf der einen Seite hinsichtlich der Verteidigung des Marktzugangs über Verhandlungen und auf der anderen Seite hinsichtlich gezielter Unterstützung jener Branchen, die von den aktuellen US-Zöllen am stärksten betroffen sind.
Unser Fazit
Handelskonflikte sind mehr als nur Schlagzeilen. Sie wirken messbar auf Wachstum, Preise und Investitionen und beeinflussen mittelfristig via zunehmender Ertragsbelastungen betroffener Firmen auch die Börsenkurse.
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