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Börsen-Kurier: Von Marktausweitungen und Rückzügen

Christian Sec | Börsen-Kurier

Wie österreichische Konzerne ihre Position in Mittel- und Osteuropa stärken.

Mit dem Erwerb von 80 % an der moldauischen Versicherung Moldasig im August übernimmt die Vienna Insurance Group (VIG) die Marktführerschaft in Moldau. Die Region gilt als vielversprechend – laut World Economic Outlook wird Moldau bis 2030 ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von 4,4 % erzielen. „Wir wollen die lokale Wirtschaft durch einen modernen Versicherungsmarkt weiter stärken“, erklärt Peter Höfinger, stellvertretender Generaldirektor der VIG. Doch nicht überall gelingt solch ein Vorhaben reibungslos: Konkurrent Uniqa hat sich aufgrund niedriger Erträge aus Albanien, Nordmazedonien und dem Kosovo zurückgezogen.

Chancen größer als Risiken

Trotz selektiver Rückzüge bleibt die CEE-Region ein zentraler Wachstumsmarkt für Österreichs Versicherer und Banken. Der Internationale Währungsfonds (IWF) prognostiziert für 2025 und 2026 ein reales BIP-Wachstum von 3,0 bzw. 3,1 % – doppelt so viel wie in den Industriestaaten.

Die Zeiten, in denen bloße Präsenz für Wachstum reichte, sind allerdings vorbei. „Heute herrscht ein scharf geführter Wettbewerb mit lokalen Playern“, sagt Wolfgang Matejka, Asset-Manager der Wiener Privatbank, dem Börsen-Kurier. Unternehmen müssten mit Effizienz und Leistung überzeugen – was laut Matejka auch gelinge. Uniqa meldete 2023/24 ein Wachstum von 14 % in der CEE-Region – für die kommenden Jahre werden jährlich 8 % angestrebt. Die Halbjahreszahlen zeigen den Trend deutlich: Während die Erträge in CEE um 12,9 % stiegen, lag das Plus in Österreich bei nur 5,7 %. Die Profitabilität erhöhte sich vor allem durch die Integration von AXA: Laut Uniqa-International-Chef Wolfgang Kindl spart der Konzern jährlich rund 55 MioE in Polen, Tschechien und der Slowakei durch Synergien. Auch bei der VIG laufen die Geschäfte: In Tschechien stieg das Ergebnis vor Steuern im ersten Halbjahr um 18,4 %, in Polen um 9 % – deutlich mehr als in Österreich (4,7 %).

Banken setzen auf differenzierte Strategien

Auch Österreichs Großbanken bauen ihre Präsenz in der Region gezielt aus. Die Erste Group verfolgt eine Wachstumsstrategie mit Fokus auf Tschechien und Polen. Schon jetzt stammt über die Hälfte des Konzernertrags aus der CEE-Region – Tendenz steigend. Mit dem Einstieg bei der Santander Bank Polska will die Bank ihre Kundenbasis von derzeit 17 auf 23 Mio. ausbauen. Polens BIP soll laut Prognosen in den kommenden Jahren um 2,5 bis 3 % wachsen - Faktoren, die auch den Aktienkurs der Erste Group in den letzten sechs Monaten um rund 50 % steigen ließ.

Die Raiffeisen Bank International (RBI) hingegen konzentriert sich auf Südosteuropa – etwa Rumänien und Serbien. Ihre Präsenz in Polen wurde zuletzt reduziert, was bei Uniqa Fragen zur Bankpartnerschaft aufwarf. Kindl betonte jedoch, dass man den Bankenvertrieb inzwischen stark diversifiziert habe.

Produktionsstandort CEE

Trotz geopolitischer Unsicherheiten – etwa infolge des Ukrainekriegs – bleibt Osteuropa für viele österreichische Unternehmen ein strategischer Standort. „Die Mitarbeiter und MitarbeiterInnen sind heute besser ausgebildet, das Lohnniveau ist weiterhin niedrig, und Absatz- sowie Produktionsmärkte rücken näher zusammen“, so Matejka. Risiken sieht er vor allem in der

lokalen Politik und in geopolitischen Instabilitäten. Eine differenzierte Länderstrategie sei daher entscheidend. Viele Industriebetriebe an der Wiener Börse setzen auf CEE-Standorte zur Kostenoptimierung. „Das ist einer der größten Trends der letzten Jahre – Alternativen gibt es angesichts des stark gestiegenen Lohnniveaus in Österreich kaum noch“, resümiert Matejka.

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