Harald Kolerus | Börsen-Kurier
Wien warf „unter dem Radar“ in fünf Jahren mehr Rendite ab als der Dax.
Das kann sich sehen lassen: Der ATX TR (also inklusive Dividenden) legte in den vergangenen fünf Jahren mehr als 160 % zu, der Dax schaffte im selben Zeitraum „nur“ rund 95 % – ebenfalls unter Berücksichtigung der Ausschüttungen. Lässt man die Dividenden weg, kommt der ATX im selben Zeitraum auf gerundet 115 %, der Dow Jones, eine der weltweit am meisten beachteten Benchmarks, auf 70 %.
Wobei man hinzufügen muss, dass die Wiener Börse auch schon schlechtere Zeiten gesehen hat, so litt sie aufgrund der starken Bindung an CEE überproportional unter dem Ukraine-Krieg, auch die Corona-Pandemie haben andere Indizes besser überstanden. Wie geht es also in Wien weiter? Zu dieser Frage versammelte das Finanzjournalistenforum Bernhard Haas (Fondsmanager Erste Stock Vienna und RT Österreich Aktienfonds), Paul Pichler (Fondsmanager LLB Aktien Österreich) und Dietmar Rupar (Geschäftsführer des Fondsverbandes VÖIG) um den runden Tisch.
Eine Frage der Zölle
Ein großer Teil der Diskussion drehte sich um den Zoll-Konflikt. Die Teilnehmer stellten fest, dass die Auswirkungen auf ATX-Unternehmen sehr unterschiedlich ausfielen. Pichler: „Die AMAG hat ein Werk in Kanada und ist somit von 50-%igen Zöllen betroffen; Palfinger profitiert hingegen davon, dass man über ein Werk in den USA verfügt.“ Haas brachte ein weiteres Beispiel: „Die Hälfte der Produktion der Voestalpine, die in den USA verkauft wird, erfolgt in den Vereinigten Staaten, die andere Hälfte hat in den USA wenig Konkurrenz und die Zölle können zu einem Gutteil weitergegeben werden. Financials sind ohnedies nur sehr indirekt von den Zöllen betroffen.“
Wobei ja manche Beobachter behaupten, dass Donald Trump die EU-Kommissionspräsidentin Von der Leyen bei den Verhandlungen in Schottland „über den Tisch gezogen“ hätte. Den Börsen-Kurier interessierte, inwiefern die Runde diese Meinung teilt? Darauf Haas: „Es ist natürlich schwierig, Kritik auszusprechen, wenn man nicht selbst mit am Verhandlungstisch gesessen ist. Der USA-EU-Deal erscheint jedenfalls nicht unähnlich zu jenem mit Japan. Sehr wichtig ist, dass europäische Unternehmen im Vergleich zu der internationalen Konkurrenz nicht schwer benachteiligt werden. Wenn alle Länder Zölle im Bereich von 10, 11 oder 15 % entrichten müssen, kann das mit gewissen Einschränkungen an die Endkunden weitergegeben werden -das ist manageable. Wenn ein Land 50 % zahlen müsste und ein anderes beispielsweise 15 %, wäre das hingegen eine zu starke Verzerrung.“ Pichler fügte hinzu: „Die EU hat nicht einen gleich starken Hebel wie etwa China und spricht auch nicht immer in einer Sprache. Angesichts dessen liegt das Übereinkommen wohl nahe am bestmöglichen Szenario. Ein Deal ist besser als noch mehr zerbrochenes Porzellan.“
Attraktiv bewertet
Abgesehen davon spricht für den ATX die günstige Bewertung mit einem KGV von 11. Einen gewissen Rückenwind könne man sich auch von den massiven Konjunkturpaketen Deutschlands erwarten. Für sein Allzeithoch aus dem Jahr 2007 fehlt dem ATX noch ein Kursanstieg von 10 %. Auch hier werde man ein neues Hoch sehen, waren sich die Experten einig – wann, das wisse nur die „Glaskugel“. Positiv erwähnt wurden Einzelwerte wie Do & Co, Andritz, OMV, Kontron und als Turnaround-Case Agrana.
Charttechnisch gesehen befindet sich der ATX seit der April-Korrektur im Aufwärtstrend, die gute Performance macht kurzfristige Gewinnmitnahmen wahrscheinlich, langfristig spricht aber vieles weiterhin für Wien.
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