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Metaller-KV - Voestler kritisiert "rotzfreches Angebot" der Industrie

21.11.2023, 12:52:00

Arbeitnehmer haben ihre Forderung von 11,6 auf 10,6 Prozent heruntergeschraubt, Arbeitgeber wollen für Entgegenkommen Abschläge beim Rahmenrecht

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AKTUALISIERUNGS-HINWEIS
Neu: Erste fünf Absätze, Bericht aus Linz zum Voest-Streik
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"Das rotzfreche Angebot von gestern lassen wir
uns nicht gefallen" - fasst voestalpine-Betriebsratsvorsitzender
Hans Karl Schaller am Dienstag den Unmut seiner Kolleginnen und
Kollegen über die stockenden Verhandlungen zum Kollektivvertrag 2024
der Metallindustrie zusammen. Das neue Angebot der Arbeitgeber sei -
alles zusammengerechnet - mit durchschnittlich plus 5,99 Prozent um
0,01 Prozent besser als das vorige, empörte sich Schaller im
Gespräch mit der APA.
Als Reaktion werden die "Voestler" heute ab 14:00 Uhr für 24
Stunden streiken, ausgenommen seien Hochofen, Stahlwerk, Kokerei und
Kraftwerk. Denn das Angebot sei nicht nur prozentuell zu dürftig,
die Arbeitgeber wollten auch die Überstundenzuschläge um 50 Prozent
und den Mehrzeitzuschlag bei Teilzeit auf Null kürzen. "Es geht
nicht mehr um die Löhne sondern die KV-Verhandlungen der Metaller
werden für einen Angriff auf alle Kollektivverträge missbraucht",
sagte Schaller. Die Arbeitgeber würden keine Einigung wollen,
sondern danach trachten, die Verhandlungsgemeinschaft aufzubrechen.
In Wahrheit sitze die Bundesregierung mit am Verhandlungstisch -
an dem übrigens Arbeitgeber-Chefverhandler Christian Knill noch in
keiner einzigen Runde Platz genommen habe, so Schallers Kritik - und
es werde Schwarz-Blau für die nächste Bundesregierung vorbereitet,
meinte Schaller. "Wenn die Metaller nachgeben, die anderen haben
nicht diese Schlagkraft", stellte er in den Raum. Morgen, Mittwoch,
werden auch die voestalpine-Beschäftigten in Kapfenberg für 24
Stunden in Streik treten.
Von Seiten der voestalpine hieß es heute zur APA, dass man über
einen 24-Stunden-Streik informiert worden sei. "Es ist davon
auszugehen, dass die Produktion in dieser Zeit eingeschränkt sein
wird. In den Bereichen, wo möglicherweise Kund:innen betroffen sein
könnten, stehen wir mit diesen bereits im Austausch", so der ehemals
staatliche Großkonzern. Wie hoch der Schaden sein werde, lasse sich
noch nicht beziffern, weil das Ausmaß der Streiks aus heutiger Sicht
noch nicht abschätzbar sei.
Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer meinte heute am Rande
einer Pressekonferenz: "Wir mischen uns da von der Spitzenebene -
außer wir werden gerufen, und das hat noch nicht stattgefunden -
nicht ein." Grundsätzlich meinte er: "Es dauert halt heuer länger,
weil es eine ganz schwierige Situation ist". Sein Tipp: "Da muss man
aufeinander zugehen."
Das gewerkschaftsnahe Momentum Institut erinnerte daran, dass die
gesamtwirtschaftliche Produktivität pro Stunde seit 1995 um 33,8
Prozent gestiegen sei, wobei der Anstieg in der Industrie mit 105,1
Prozent mehr als drei Mal so hoch gewesen sei. "Das hat der
Industrie im internationalen Wettbewerb in den letzten Jahrzehnten
einen Wettbewerbsvorteil beschert. Nun den Arbeitnehmer:innen einen
Teuerungsausgleich zu verwehren, indem man auf die sogenannte
Benya-Formel verzichtet, könnte den Industrie-Unternehmer:innen
langfristig teuer kommen. Dann könnte die Gewerkschaft künftig den
Anstieg der Industrieproduktivität in ihre Lohnforderung einbauen.
Die ist in normalen Zeiten deutlich höher", erklärt dazu
Momentum-Chefökonom Oliver Picek.
Sieben Verhandlungsrunden waren bisher nötig um sich darauf zu
einigen, dass man von einer Einigung für den KV 2024 (gültig ab
November 2023) weit entfernt ist. Wobei gestern GPA und PRO-GE ihre
bisherige Forderung von 11,6 Prozent Plus auf 10,6 Prozent ohnehin
bereits heruntergeschraubt haben, und auch die Arbeitgeber haben
nachgebessert.
Allerdings soll das Angebot der Industrie von plus sechs Prozent
und einer Einmalzahlung von 1.200 Euro mit Verschlechterungen im
Rahmenrecht, also zum Beispiel bei den Überstundenzuschlägen,
verbunden sein. Dies lehnen die Gewerkschaften ab. Wie umfangreich
die nun ausgeweiteten Streiks werden, ließen die Gewerkschaften
bisher offen, das würden die Streikkomitees in den Unternehmen
entscheiden. Die Arbeitgeber wiederum werfen PRO-GE und GPA vor,
kompromisslos zu sein und sich Richtung Sackgasse zu bewegen. Wann
weiter verhandelt wird, war Dienstagfrüh noch offen.
Auffallend sind nicht nur die außergewöhnlich vielen
Verhandlungsrunden ohne Einigung, sondern auch die kurzen Abende des
Feilschens. Wurde in der Vergangenheit auch schon in den ersten
Runden bis weit nach Mitternacht verhandelt, war gestern bereits um
20:00 Uhr wieder Schluss mit den Gesprächen in der Wirtschaftskammer
in Wien.
Die Chefverhandler der Arbeitnehmerseite, Reinhold Binder
(PRO-GE) und Karl Dürtscher (GPA), bezeichneten das Angebot der
Unternehmervertreter gestern Abend als "Frechheit",
Arbeitgeber-Chefverhandler Christian Knill zeigte sich weiter
verhandlungsbereit. Aber er stellte Montagabend auch klar: "Wir
lassen uns von weiteren Streiks und Machtdemonstrationen nicht
beeindrucken."
Binder wiederum meinte in der "ZiB 2": "Das ist eine unfassbare
Grauslichkeit, was die Arbeitgeber da bieten. (...) Wir werden uns
gut überlegen, wie wir die weiteren Maßnahmen nun festsetzen. Wir
werden jetzt auf jeden Fall einen Zahn zulegen."
Vergangenen Woche hatte der Salzburger Beschlägehersteller Maco
mit einem ungewöhnlichen Vorschlag die Initiative ergriffen: Er
bietet eine Lohnerhöhung von sieben Prozent an, wenn die Mitarbeiter
auf Streiks verzichten - gültig bis zu einer KV-Einigung, dann gelte
der ausverhandelte Anstieg der Löhne und Gehälter.
Zuletzt haben die Bäcker bei 9,7 Prozent Lohn- und Gehaltsplus
abgeschlossen. Einen Richtwert lieferte wiederum im Sommer die
Bundesregierung, die den Pensionisten eine Erhöhung von ebenfalls
9,7 Prozent gewährte. Und auch in der Frühjahrslohnrunde bewegten
sich die meisten Abschlüsse bei rund zehn Prozent. So schloss die
Elektroindustrie bei 9,9 Prozent ab, die Papierindustrie bei 9,8 bis
10 Prozent. Die rollierende Inflation lag im Frühjahr bei 9,5
Prozent, im Herbst waren es 9,6 Prozent.
Verhandelt wird derzeit auch über den Kollektivvertrag im Handel,
hier geht es mit rund 430.000 Beschäftigten um die größte KV-Gruppe.
Die Gewerkschaft forderte ursprünglich eine Erhöhung der Gehälter um
11 Prozent, mehr Urlaub und eine Diskussion über eine allgemeine
Arbeitszeitverkürzung. Die Arbeitgeber boten ein Plus von 5 Prozent
und zusätzlich eine Einmalzahlung von 800 Euro. Die Gewerkschaft GPA
machte ein Gegenangebot von 9,5 Prozent und einen Fixbetrag von 40
Euro. Eine Einigung vor einem Kompromiss in der Metallindustrie gilt
im Handel als unwahrscheinlich.
stf/inn/tpo
 ISIN  AT0000937503
 WEB   https://www.proge.at
       https://news.wko.at/presse
       http://www.voestalpine.com


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Quelle: APA, Meldungen der letzten 4 Wochen