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OMV-Hauptversammlung von Protesten begleitet

31.05.2023, 16:42:00

Aktionäre stimmen über Entlastung von Seele ab - OMV-Chef Stern verteidigte Russland-Politik unter seinem Vorgänger - Diskussion um Borealis

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AKTUALISIERUNGS-HINWEIS
Neu: Zitat Garrett zu Seele-Entlastung (10. Absatz), Stern zu Borealis (11. Absatz)
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Aktivisten haben unter Buh- und "Raus"-Rufen anderer
Aktionäre den Beginn der OMV-Hauptversammlung am Mittwoch für
mehrere Minuten gestört. Sie kritisierten, dass die OMV im Vorjahr
5,2 Mrd. Euro Gewinn schrieb, während sich viele Menschen das Heizen
nicht mehr leisten könnten und forderten den Ausstieg aus Öl und
Gas. Aufsichtsratschef Mark Garrett verwies auf die Redezeit, die
jedem Aktionär zusteht. Bei der zweiten Störung wurden die jungen
Menschen des Saals verwiesen.
Für Garrett ist es die letzte Hauptversammlung als
OMV-Aufsichtsratspräsident. Statt ihm wird der 66-jährige Deutsche
Lutz Feldmann in den Aufsichtsrat gewählt und Garret als
Aufsichtsratsvorsitzender nachfolgen.
Die anwesenden Aktionäre nahmen die OMV trotz der
Milliardengewinne im Vorjahr und der vorgeschlagenen, mehr als
verdoppelten, Rekorddividende von 5,05 Euro pro Aktie kritisch unter
die Lupe. Florian Beckermann vom Interessenverband für Anleger (IVA)
sieht zumindest bei der Klimatransformation Fortschritte. Die OMV
sei nach dem Abgang der "Ölmänner" Seele und Pleininger deutlich
glaubwürdiger.
OMV-Chef Alfred Stern erklärte in der HV, dass sich die
Elektrifizierung der Industrie und im Verkehr beschleunige und dies
die Nachfrage nach Öl insbesondere in der EU und den
Industriestaaten dämpfen werde. Die OMV habe den Weg zu einem
nachhaltig profitablen Geschäftsmodell begonnen und es gebe kein
Zurück mehr. Der Konzern setzt unter anderem auf das Heizen mit
Geothermie anstelle von Erdgas.
Die OMV-Aktionäre stimmen am Mittwoch auch darüber ab, ob sie
Ex-Vorstandschef Rainer Seele die Entlastung erteilen. Die Stimmen
der beiden Kernaktionäre - der Staatsholding ÖBAG und des
staatlichen Ölkonzerns von Abu Dhabi ADNOC - reichen dafür aus. Im
Vorjahr war Seele das Misstrauen ausgesprochen worden. Nach einer
Sonderprüfung, die kein "einklagbares Fehlverhalten" ergab, empfahl
der Aufsichtsrat aber die Entlastung.
Seele wird unter anderem vorgeworfen, mehrfach gegen die
Compliance-Regeln des Konzerns verstoßen sowie die OMV zu sehr an
Russland gebunden zu haben. Stern verteidigte Seeles strategische
Weichenstellungen. Er sein "kein Fan davon, den Rainer Seele jetzt
dafür zu verurteilen, dass er das gemacht hat. Weil zu dem Zeitpunkt
waren das betriebswirtschaftlich gesehen vernünftige
Entscheidungen." Diese Entscheidungen habe Seele auch nicht alleine
getroffen. "Im Nachhinein muss man sagen: Wir haben das
geopolitische Risiko dort massiv unterschätzt", sagte Stern in einem
APA-Interview im Vorfeld der HV.
Für Beckermann ist die Affäre um Seele noch nicht erledigt.
"Meine Damen und Herren, wenn jetzt entlastet wird, heißt das: Bei
diesem Syndikat kommt man mit Compliance-Verstößen davon", so
Beckermann in seiner Wortmeldung. Es sei ein schlechtes Sittenbild
für die Syndikatspartner, die Staatsholding ÖBAG und ADNOC.
Schon zuvor hatten die internationalen Stimmrechtsberater von
Institutional Shareholder Services (ISS) und Glass Lewis (GL)
empfohlen, Seele weiter die Entlastung zu verweigern.
Seele, der Mitte 2021 ausschied, erhielt 2022 laut
OMV-Geschäftsbericht noch 4,8 Mio. Euro, mehr als doppelt wie sein
Nachfolger Stern, der 2,1 Mio. Euro verdiente. Ein Aktionär schlug
deshalb vor, Seele solle freiwillig die Bezüge des Vorjahres
zurückzahlen, dann könne auch die Entlastung erfolgen.
Die Causa Seele dürfte auch im Aufsichtsrat heiß diskutiert
worden sein. Beckermann wollte von Garrett wissen, wie er persönlich
im Aufsichtsrat gestimmt habe. Garrett verwies darauf, dass das
Abstimmungsverhalten vertraulich sei. "Es gab sehr diverse
Meinungen. Ich war eine von ihnen", so Garrett.
Stern trat im APA-Interview indirekt auch Gerüchten entgegen,
ADNOC - beraten von Seele - wolle bei der Borealis wieder
aufstocken. Für die Transformation und die Wachstumsambitionen "ist
die Borealis heute und wird weiterhin eine tragende Säule sein", so
Stern, ohne die Spekulationen konkret zu kommentieren. Auch
Beckermann meinte, es wäre paradox, würde die OMV drei Jahre nach
der Aufstockung wieder Anteile abgeben. In der HV hielt Stern fest,
es gebe keine Gespräche über einen Verkauf des 75-Prozent-Anteils an
der Borealis und "es liegt auch kein Angebot von ADNOC vor".
Die Gerüchte um die Borealis sorgten auch bei vielen
Kleinaktionären für Unruhe. Sie fürchteten um die
Petrochemietochter, die ein Herzstück des künftigen
OMV-Geschäftsmodells sein soll. Ebenso kritisch gesehen wird, dass
Ex-Vorstand Johann Pleininger, fünf Monate nach seinem Ausscheiden
bei der OMV, Chef beim staatlichen Ölkonzern Tatweer in Bahrain
wurde, wo auch Seele im Aufsichtsrat sitzt. Befürchtet wird, Seele
und Pleininger könnten bei Tatweer und Adnoc dank Insiderwissen nun
Druck auf Borealis und OMV ausüben.
Auch von politischer Seite kamen am Mittwoch Wortmeldungen dazu.
Die Grünen erklärten, ein neuerlicher Borealis-Deal mit Abu Dhabi
würde den Umbau der OMV ausbremsen und wäre der "Ausverkauf der
Zukunftsperspektive".
Die erste Präsenz-Hauptversammlung der OMV seit der
Coronapandemie fand in der Messe Wien unter strengen
Sicherheitsvorkehrungen statt. Für einen störungsfreien Ablauf der
HV hatte die OMV Sicherheits- und Taschenkontrollen angeordnet. Vor
dem Messegelände fand eine Kundgebung mehrerer
Nichtregierungsorganisationen (NGO) statt. Attac, Jugendrat und
System Change not Climate Change demonstrierten gegen die Geschäfte
der OMV. Greenpeace verteilte als OMV-Infomaterial getarnte Flyer,
mit kritischen Fragen, die die Aktionäre auf der HV stellen sollten.
Die OMV stieß 2022 laut ihrem Nachhaltigkeitsbericht 10,9 Mio.
Tonnen Kohlendioxid (CO2) und 20.000 Tonnen Methan (CH4) aus und
zählt damit neben der voestalpine und der Wien Energie zu
Österreichs größten CO2-Emittenten. Rechnet man die
Treibhausgasemissionen dazu, an denen die OMV indirekt beteiligt ist
- etwa beim Verbrennen von Diesel und Benzin in Autos oder Kerosin
in Triebwerken -, beliefen sich die Emissionen 2022 auf 132,8 Mio.
Tonnen CO2-Äquivalente.
pro/tpo
 ISIN  AT0000743059
 WEB   http://www.omv.com


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Quelle: APA, Meldungen der letzten 4 Wochen