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Wohin gehen die Zinsen?

Michael Kordovsky | Börsen-Kurier

Kleinere kurzfristige Zinssenkungsspielräume in den USA und im Euroraum

Sind wir in den entwickelten Ländern weltweit wieder Richtung einer neuen Niedrigzinsphase unterwegs, oder droht die nächste Inflationswelle ausgehend von steigenden Rohstoffpreisen, die erneut Zinserhöhungen zur Eindämmung erforderlich macht?

Dazu kann ein Blick auf den „Rogers International Commodity Index“ geworfen werden, der 38 Rohstoffkontrakte kombiniert und dabei Energie und Metalle mit je 41 bzw. 25 % am stärksten gewichtet. Dieser Index liegt zwar auf Euro-Basis in den vergangenen fünf Jahren knapp 150 % im Plus (nach den Schüben 2021 und 2022 setzte eine Seitwärtsbewegung ein, Anm.). Ob es aber nun weiter nach oben geht, bleibt abzuwarten. Fakt ist, dass zuletzt vor allem die Ölpreise, bedingt durch globale Konjunkturtrends rückläufig waren. Der Ölpreis (Brent) ist auf Jahressicht bereits mehr als 20 % im Minus.

USA: Stimmungsverschlechterung und Downgrade

In den USA fiel „The Conference Board Consumer Confidence Index“, ein viel beachteter Indikator für das Konsumentenvertrauen auf ein 13-Jahres-Tief und die implizierte Rezessionswahrscheinlichkeit der USA liegt in den kommenden zwölf Monaten bei 72 %. Laut Daten der New Yorker Fed liegt die Inflationserwartung der Amerikaner in einem Jahr bei 3,6 % (aktuell: 2,3 %). Importierte Inflation durch hohe Einfuhrzölle droht. Und betrachtet man das BIP-Wachstum im ersten Quartal 2025 im Vergleich zum Vorjahresquartal, dann zeigt sich eine Verlangsamung von 2,5 auf 2,0 %, wobei ein Wachstum der Konsumausgaben von 3,1 % und hohe Ausrüstungsinvestitionen noch stützen. Allerdings schlagen sich in jüngsten Einkaufsmanager-Indexdaten der Produktionswirtschaft vereinzelt schon zollbedingt schwächere Exportaufträge nieder. Generell ist das verarbeitende Gewerbe in den USA derzeit in einer eher fragilen Verfassung.

Die letzte IWF-Prognose für das BIP-Wachstum während der Amtszeit Joe Bidens waren 2,7 % für 2025. Nach drei Monaten Donald Trump wurden diese Erwartungen auf 1,8 % nach unten revidiert. Obwohl vor wenigen Tagen nun sogar Moody‘s die Kreditwürdigkeit der USA von Aaa auf Aa1 herabgestuft hat und damit alle drei großen Ratingagenturen den USA die Spitzennote entzogen haben, beschloss der Kongress Steuersenkungen, die vor allem die reichsten 10 % der Haushalte entlasten, die ärmsten 10 % hingegen belasten. Denn zum teilweisen Ausgleich der Steuerverluste sollen der Krankenversicherung Medicaid und dem System der Lebensmittelhilfen die Mittel gekürzt werden.

Mittlerweile liegen die Staatsschulden der USA bei 124 % des BIP. Alleine durch die Steuersenkungen würde der Staat innerhalb der nächsten zehn Jahre umgerechnet 3,36 BioE an Einnahmen verlieren. Bereits für 2024 wird die Zinsenlast des Staates auf umgerechnet 780 MrdE geschätzt. Diese Entwicklungen sind schlecht für die Zinsen am langen Ende. Die Zinskurve könnte durch Verteuerung der Zinsen zunehmend steiler werden.

Laut Daten von Bloomberg haben sich die Renditen zweijähriger US-Treasuries auf Jahressicht zuletzt um 95 Basispunkte verbilligt, während jene 10jähriger und 30jähriger US-Treasuries um je 5 bzw. 47 Basispunkte teurer wurden. Per 23. Mai standen 3,99 % bei zweijährigen je 4,51 % bzw. 5,04 % bei 10- und 30jährigen US-Treasuries gegenüber. Und die Kurve könnte noch steiler werden, denn eine schwächere US-Konjunktur sowie eine US-Inflationsrate von zuletzt nur noch 2,3 % im April sprechen für Leitzinssenkungen. Die nächste Leitzinssenkung preist der Futures-Markt für die Fed-Entscheidung am 30. Juli 2025 ein, und bis zum 10. Dezember erscheint ein Rückgang von derzeit 4,25 bis 4,50 % auf 3,75 bis 4,00 % am wahrscheinlichsten.

Vorerst weitere Zinssenkungen im Euroraum

Weiterer Zinssenkungsspielraum ist im Euroraum vorhanden, wo laut jüngsten vorläufigen Einkaufsmanagerdaten die Privatwirtschaft im Mai in die Kontraktionszone rutschte und die Inflationsrate im April unverändert bei 2,2 % liegt. Zwar zeigen die Dienstleistungen und unverarbeiteten Lebensmittel stärkere Teuerungsimpulse, doch die Energiepreiskomponente entwickelte sich im April sogar um 3,6 % rückläufig. Die Geldmarktzinsen nehmen somit bereits die nächste Leitzinssenkung vorweg. Wirft man einen Blick auf die Forward-Rates im 3-Monats-Euribor, so wurde per 12. Mai ein zyklisches Tief von 1,83 % für Jänner bis März 2026 eingepreist, ehe es dann bis Ende 2030 wieder Richtung 2,70 % gehen sollte – so die aktuellen Markterwartungen. Konkret würden diese noch zwei Leitzinssenkungen um je 25 Basispunkte auf je 1,75 % im Einlagenzins und 1,90 % im Hauptrefinanzierungssatz der EZB implizieren.

Doch sollte es tatsächlich eines Tages zu einem eskalierenden Zollkonflikt mit den USA kommen, könnte es mittelfristig noch stärkere Verschiebungen nach unten geben. Am langen Ende steigen die Zinsen hingegen bereits im Hinblick auf hohe Ausgabenprogramme wie RearmEurope (800 MrdE für Rüstung bis 2030) und diverse Infrastrukturprogramme. Der EUR-Swapsatz 15 Jahre stieg seit Ende 2024 bis 23. Mai 2025 bereits über 30 Basispunkte auf knapp 2,73 %.

Eigene Dynamiken im asiatischen Raum

Die Bank of Japan (BoJ) beließ ihren Leitzins am 1. Mai bei 0,5 %, nachdem sie im Jänner erstmals seit 17 Jahren eine Zinserhöhung vorgenommen hatte. Trotz eines Rückgangs des BIP um annualisiert 0,7 % im ersten Quartal 2025 (Vorquartalsvergleich) und anhaltender Unsicherheiten durch US-Zölle sind Zinssenkungen kein Thema. Im April hat sich nämlich Japans Kerninflation von 3,2 auf 3,5 % und somit den höchsten Stand seit Anfang 2023 beschleunigt, da die Energiepreise infolge eines Rückgangs staatlicher Subventionen besonders stark anstiegen. Auch die Lebensmittelpreise hatten sich deutlich verteuert. Auf Monatssicht haben sich per 23. Mai die Renditen für 10jährige japanische Staatsanleihen um 21 Basispunkte auf 1,52 % verteuert. Längerfristig ist mit weiteren Leitzinsanhebungen zu rechnen.

Eine Fortsetzung jüngster Leitzinssenkungen gab es hingegen in China. Am 7. Mai senkte die PBoC den 7-Tage-Repo-Satz um 10 Basispunkte auf 1,4 % und reduzierte die Mindestreserveanforderungen um 0,5 Prozentpunkte, wodurch rund 1 Billion Yuan (122 MrdE) an Liquidität freigesetzt wurden. Diese Maßnahmen sind Teil eines Zehn-Punkte-Plans, der unter anderem günstigere Kredite für Technologieunternehmen, den Wohnungsbau und kleine Unternehmen vorsieht. Zusätzlich senkte China am 20. Mai die einjährige Loan Prime Rate (LPR) auf 3,0 % und die fünfjährige LPR auf 3,5 %, um den Konsum und die Kreditvergabe anzukurbeln. Trotz dieser Maßnahmen bleiben Analysten skeptisch, ob das Wachstumsziel von 5 % ohne weitere Stimuli erreicht werden kann.

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