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Marktanalyse: Trotz Zinswende führt an Aktien kein Weg vorbei

Christian Hinterwallner

Das Börsenjahr 2021 fiel in Summe sehr erfreulich aus! Im Zuge der sehr starken Erholung der wirtschaftlichen Aktivität und substanziell ansteigender Unternehmensgewinne (z.B. 2021e S&P 500: 50 %, Euro STOXX 50: 57 %) konnte der genannte US-Leitindex auf Total Return-Basis um 28,7 % und die Eurozone-Benchmark um 24,1 % zulegen. Der heimische ATX gehörte mit einem Gesamtertrag von 43,6 % – wie viele seiner CEE-Pendants – dank eines Aufholeffekts, der verhältnismäßig günstigen Bewertung und der hohen Gewichtung des Finanz- und Energiesektors sogar zu den globalen Überfliegern.

Zum Jahresauftakt sorgten dann die in die Höhe schnellenden Staatsanleiherenditen für Gegenwind und belasteten insbesondere die Wachstumstitel, welche über einen höheren Diskontierungsfaktor bewertungsseitig unter Druck kamen. In der Tat steht aus unserer Sicht dieses Jahr abermals die Inflationsthematik und die damit verbundene geldpolitische Ausrichtung sehr stark im Fokus.

Vor dem Hintergrund der robusten Konjunktur und des mittlerweile deutlich länger als erwarteten Auftriebs bei den Konsumentenpreisen (z.B. +7 % p.a. beim US CPI im Dezember, höchster Wert seit 40 Jahren) kommen immer mehr Notenbanken unter Zugzwang ihr Preisstabilitätsmandat in den Vordergrund zu rücken. Im Dezember schon ließ die US-Notenbank ihr Narrativ einer "vorübergehenden Inflation" fallen, kündigte an bald keine neuen Anleihenkäufe mehr zu tätigen und visiert für 2022 nun statt bisher zwei sogar drei Zinsanhebungen an. Vor dem Hintergrund der jüngsten Daten und Kommentare der Währungshüter könnte die Fed sogar noch akzentuierter werden. Auch die EZB verschaffte sich in Richtung 2023 mehr Spielraum für einen etwaigen ersten Zinsschritt. Die notwendigen Anpassungen im geldpolitischen Pfad können zwar zwischenzeitlich immer wieder einmal zum Belastungsfaktor werden, den Aufwärtstrend sehen wir aber aus der Normalisierung der Geldpolitikbzw. steigenden Renditen/Zinsen nicht gefährdet, da einerseits schon viel eingepreist ist und diese Entwicklung letztendlich auch eine Reflexion des in Summe sehr starken Wachstumsumfelds ist. Nicht vergessen werden darf ebenso, dass die Unternehmen im aktuellen Umfeld über eine starke Preisfestsetzungsmacht verfügen, was sich in sehr hohen Margen widerspiegelt.

Eine weiterhin robuste Konjunktur (z.B. Erwartung Wachstum Eurozone reales BIP 22e +4 %) und nennenswerte Gewinnwachstumsraten in der Größenordnung von 8 bis 10 % für den breiten europäischen und US-Aktienmarkt bilden dann auch die Grundlage für unsere Erwartung einer Fortsetzung der Aufwärtsbewegung an den Aktienmärkten im Jahr 2022. Als positiv werten wir ebenfalls, dass aufgrund der weniger gefährlichen "Omikron"-Variante ein Ende der Pandemie näher rückt. Des Weiteren bleibt das Aktiensegment im Vergleich zum weiterhin teuren Rentenmarkt bewertungstechnisch die attraktivere Wahl. Zusätzlich gehen wir davon aus, dass eine anhaltend hohe M&A-Dynamik und großvolumige Aktienrückkaufprogramme den Markt unterstützen.

Gemäß unserer Erwartungen sollte der US-Aktienmarkt dabei aufgrund seiner höheren Profitabilität und dem höheren Anteil an Internet-/Tech-Titeln die Nase im Vergleich zu Europa leicht vorne haben. Für den heimischen ATX erwarten wir aufgrund seiner attraktiven Bewertungsniveaus und der Sektorkomposition (Finanz und Energie) ebenfalls eine überdurchschnittliche Performance.


Autor:
Mag. Christian Hinterwallner, MBA, CEFA
Head of Equity Research
Raiffeisen Research / Raiffeisen Bank International
13. Jänner 2022

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