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Marktanalyse: Entspannung bei den Makrothemen sollte solides Aktienjahr ermöglichen

Christian Hinterwallner

Nach dem Börsenjahr 2022, das vor allem durch den Doppelschlag aus Geld- und Geopolitik gekennzeichnet war und mit akzentuierten Verlusten sowohl bei Anleihen als auch Aktien endete, fiel der Jahresauftakt an den Aktienmärkten bislang mehrheitlich positiv aus.

Auch im heurigen Jahr werden unserer Meinung nach die großen Makrothemen mit ausschlaggebend für die Performance an den Aktienmärkten sein. Hier wird entscheidend sein, in welchem Ausmaß die Inflation in den kommenden Monaten weiter zurückgeht, wann die Notenbanken ihre Zinsanhebungszyklen pausieren und wie nachhaltig die Bremsspuren in der Wirtschaft aufgrund der bislang schon gesehenen geldpolitischen Straffungen ausfallen werden. Im Wesentlichen gehen wir davon aus, dass diese komplexen Problemfelder über das Börsenjahr hinaus an Schärfe verlieren oder sich sogar auflösen.

So haben die Inflationsraten in den USA schon im Juni des Vorjahres (!) ihren Höhepunkt erreicht und vor dem Hintergrund der Rückgänge bei den Rohstoffpreisen und der Entspannung der Lieferkettenthematik ist hier in der Tendenz heuer ein weiterer substanzieller Rückgang der Preisdynamik zu erwarten. Etwas zäher dürfte dies in Europa vonstattengehen, aber auch hier ist eine weitere Entspannung zu erwarten, auch wenn die Kerninflation hoch bleiben dürfte. Dadurch sollten dann auch die Notenbanken in den nächsten Monaten sukzessive einen Schwenk in Richtung einer Pausierung des Straffungskurses vollziehen. Hier ist die US-Fed der EZB sicher um einige Schritte voraus und folglich sehen wir in den USA „nur“ mehr zwei weitere Zinsschritte im Q1. Die Eurozone-Währungshüter sollten nach der "hawkishen" Sitzung im Dezember hingegen laut Meinung unserer Ökonomen den Leitzins noch um 2 x 50 BP im Q1 und 2 x 25 BP auf dann 3,5 % im Einlagesatz anheben. In Summe sehen wir aus der Thematik kurzfristig noch Unsicherheit für die Aktienmärkte, welche sich aber mit der steigenden Gewissheit eines Endes der Zinsanhebungen schon in Richtung Q2 auflösen sollte.

Wirtschaftlich ist eine Eurozone-Rezession und eine Abschwächung der US-Konjunktur schon klar in den Aktienkursen reflektiert. Da es zudem schon zarte Stabilisierungstendenzen bei europäischen Vorlaufindikatoren gibt und wir des Weiteren keine scharfe US-Rezession erwarten, so dürfte sich dieser Einflussfaktor dank der von uns erwarteten wirtschaftlichen Erholung im zweiten Halbjahr dann im Jahresverlauf sogar als unterstützend für Aktien etablieren.

Im Hinblick auf die Unternehmensgewinne ist kurzfristig sicher noch Anpassungsbedarf in den Analystenschätzungen nach unten gegeben. Insofern wird insbesondere die nun voll anlaufende Q4 Berichtssaison von großem Interesse sein, zumal viele Unternehmen hier dann ebenfalls einen Ausblick für das Gesamtjahr abgeben werden. Einen größeren Gewinneinbruch auf breiter Ebene, wie sonst in einem schwierigen Wirtschaftsumfeld, sehen wir hingegen nicht. Es gelingt den Unternehmen nämlich weiterhin die höheren Inputpreise bis zu einem gewissen Grad an die Endkunden weiterzugeben.

In Summe könnten der kurzfristige Anpassungsbedarf bei den Gewinnschätzungen, durchwachsene Datenpunkte beim Wirtschaftsthema und die in den nächsten Monaten anstehenden Zinsschritte noch etwas belasten. Für den weiteren Jahresverlauf und für das Gesamtjahr sind wir aber aufgrund der sich deutlich aufhellenden Einflussfaktoren optimistisch gestimmt für die Aktienmärkte. Überproportionale Anstiege erwarten wir hier heuer insbesondere auch von Sektoren (z.B. IT, Kommunikationsdienstleistungen und zyklischer Konsum), welche im letzten Jahr deutlich hinterherhinkten. Eine überdurchschnittliche Performance trauen wir auch dem ATX zu. Hier profitieren die Finanzwerte von einem nun deutlich vorteilhafteren Zinsumfeld. Die Öl- und Gastitel verspüren vor dem Hintergrund der weiterhin relativ hohen Energiepreise ebenfalls Rückenwind. Zudem erachten wir den heimischen Aktienmarkt aus Bewertungsgesichtspunkten als attraktiv.


Autor:
Mag. Christian Hinterwallner, MBA, CEFA
Head of Equity Research
Raiffeisen Research / Raiffeisen Bank International
12. Jänner 2023

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