Im Grundsätzlichen unterscheiden sich die unmittelbaren Auswirkungen der eher erratischen Zollpolitik der US-Regierung auf die Märkte in Zentral- und Osteuropa (CEE) nicht von jenen, die wir für andere globale oder europäische Märkte sehen. Eine massive Unsicherheit und Volatilität ist an den CEE-Märkten ebenso zu finden, wie bei ihren west-europäischen Nachbarn. Insofern liegt auch hier das wesentliche Risiko in einer weiteren Eskalation mit China, wohin jede Reaktion der EU weiterhin eher pragmatisch und ausgewogen erfolgen sollte. Das amerikanische Peterson Institute for International Economics sieht allerdings in seinen Szenarios die stärksten negativen Auswirkungen auf die USA und den Rest der Welt noch nicht einmal in der Zollpolitik, sondern tatsächlich eher in dem Risiko, dass Trump die Unabhängigkeit der Fed in Frage stellt.
Volkswirtschaftliche Auswirkungen
Lockerungen in Verschuldungsregeln und fiskalische Programme sollten in der Region bereits bestehende EU Förderprogramme ergänzen. Allerdings stellt eben diese Unwägbarkeit der amerikanischen Zollpolitik auch die zuvor erwartete relative Erholung Europas wieder in Frage.
Die direkten wirtschaftlichen Auswirkungen für die CEE-Region sollten eher überschaubar bleiben. Die enge Integration in internationale Lieferketten (hauptsächlich via Deutschland) wird allerdings dafür sorgen, dass auch CEE wirtschaftlichen Schaden nehmen kann. Die direkten Exporte in die USA sind eher gering – Österreich, die Slowakei, Ungarn nehmen hier die ersten Plätze ein. Der Anteil von Exporten in die USA (% im extra-EU Export, 2023) rangiert zwischen 22% für Österreich und knapp 14% für Ungarn. Ungarn und die Slowakei sind hier im Wesentlichen über den (weitestgehend nicht börsennotierten) Automobilsektor betroffen. Wir haben derzeit unser Prognosen für das reale BIP-Wachstum in der Region auf 2,4% für 2025 (AT -0,5%) und in Erwartung eines stärkeren Effektes in 2026 auf 2,9% in diesem Jahr für CEE angepasst (AT 0,3%).
Auswirkungen auf Unternehmen
In einer Umfrage zum Ende des Jahres 2024 gaben nur 8% der regionalen Unternehmen an, in erheblichem Maße direkt betroffen zu sein. Die Mehrheit der Befragten gab an nur unwesentlich oder gar nicht von den US-Zöllen betroffen seien (40 %), während weitere 30 % indirekte Auswirkungen über ihre Lieferkette erwarteten.
Auch wenn regionale Unternehmen tatsächlich nur eher indirekt betroffen sein sollten, so sehen wir durchaus eine unmittelbare Reaktion im Konsensus der Schätzungen für das Wachstum der Unternehmensgewinne. Allerdings zeigt sich nach eben dieser unmittelbaren Reaktion derzeit durchaus auch wieder eine leichte Korrektur eben dieser Schätzungen nach oben. Aktuell wird ein Gewinnwachstum von rund 9% für die CEE-Region auf Sicht von 12 Monaten erwartet. Gepaart mit einer weiterhin mehr als komfortablen Bewertung sollte damit zu rechnen sein, dass auch die Märkte in Österreich und CEE weiterhin von jedwedem Umschwenken in den Fund Flows weg von den USA und hin zu Europa profitieren sollten.
Banken könnten von einer beschleunigten Senkung der Zinsen betroffen sein, sowie von einer geringeren Kreditnachfrage, bedingt durch wirtschaftliche Schwäche und Konsumentenstimmung. Eben diese Konsumentenstimmung mag sich auch in den Ergebnissen von Konsumwerten wiederfinden. Ein erwartbar zunehmender Wettbewerb seitens chinesischer Unternehmen auf europäischen Märkten kann hier geringere Kosten, aber auch verdrängender Wettbewerb bedeuten. Im Ausmaß abhängig von den jeweiligen Lieferketten sollten Industrieunternehmen in der Region am stärksten betroffen sein.
Pharmawerte mögen gute Chancen haben weiterhin weitestgehend von Zöllen ausgenommen zu bleiben. Energie, Versorger und Telekommunikationswerte mögen sich mit schwächerer Nachfrage konfrontiert sehen, sollten aber im Vergleich noch die geringsten Auswirkungen verspüren.
Autor:
Henning Eßkuchen
Head of CEE Equity Research, Erste Group Bank AG
5. Mai 2025
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