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Aktuelle Marktanalyse: Ein Italientief zieht auf

Christoph Schultes

Der Monat September bescherte den meisten Aktieninvestoren zarte Zugewinne. Der S&P Index legte um 0,4 % zu, während sich Euro Stoxx Aktionäre mit 0,2 % zufrieden geben mussten. Zufriedenstellender auf dem ersten Blick dagegen wirkt das Kursplus von 1,5 % des ATX, dabei konnte der österreichische Leitindex gerade einmal einen Teil der Verluste des Vormonats August wettmachen. Anders als unsere amerikanischen Kollegen, die sich in immer kürzer werdenden Intervallen an neuen Höchstständen delektieren, sehen wir in Europa momentan bestenfalls eine Art Verfestigung des bestehenden Seitwärtstrends.

An die Dauerthemen Brexit und Handelskriege hat man sich schon gewohnt, doch nun bereitet ein neuer Störfaktor den Anlegern Kopfzerbrechen. Die Regierung unseres südlichen Nachbarn Italien gibt nämlich „Tutto Gas“. Mit etwas Verspätung drangen die ersten Details zum ganz im Zeichen der abgegebenen Wahlversprechen stehenden Budgetentwurf für 2019 an die Öffentlichkeit und sorgten für Aufregung. Der von der Regierung erstellte Finanzplan sieht für die nächsten drei Jahre ein Haushaltsdefizit von 2,4 % vor, was weder den Geschmack der EU-Kommission noch jenen der Investoren trifft. Italienische Aktien knickten am letzten Handelstag des Septembers im Schnitt um über 4 % ein, belastet vor allem von den Banktiteln, die den gesamten europäischen Sektor stark unter Druck setzten.

Dabei gehörten die europäischen Banken im Monat September zu den Sektoren, die am Ende ein positives Vorzeichen vorzuweisen hatten, und gerade dabei waren, die Verluste des Vormonats zu kompensieren. Zur Erinnerung: Im August war noch die Türkeikrise der Auslöser fallender Kurse, der vor allem Banken aus Spanien und Italien nach unten zog. Die Verluste der österreichischen Bankentitel halten sich zwar in Grenzen, dennoch kommen auch sie nicht ganz ungeschoren davon und können den ATX somit nicht unterstützen.

Die großen Gewinner des österreichischen Leitindex im Monat September waren DO & CO und Verbund, beide mit Kursgewinnen jenseits der 20 %-Marke. Während es für ersterer die langersehnten Verträge mit British Airways und Iberia waren, die die Aktie beflügelten und DO & CO damit die ATX-Aufnahme versüßten, ist es beim Verbund die Entwicklung der Strompreise, die die Aktie seit Jahresanfang bereits mehr als 100% stiegen ließ. Auf der Verliererseite standen Lenzing und AT&S, deren Aktien zweistellige Verluste zu verzeichnen hatten. Beide Unternehmen sind bei näherer Betrachtung Opfer der Handelskonflikte zwischen USA und China.

Die Zukunft ist bekanntlich etwas, das meistens bereits da ist, bevor wir damit rechnen. Für die Aktienmärkte erscheint dieses Zitat zutreffender denn je, eine Prognose für das vierte Quartal ist schwierig. Saisonal gesehen sollte das letzte Quartal des Jahres ein gutes sein. Der ATX konnte in den letzten drei Jahren in diesem Zeitraum im Durchschnitt um 6,5 % zulegen. Heuer wird es um einiges komplizierter, zumindest wenn man sich nach dem technischen Setup richtet. Der österreichische Leitindex verläuft momentan knapp unter seinem gleitenden Durchschnitt der letzten 200 Tage. Zwei Versuche, diesen Widerstand zu durchrechen, sind in den letzten beiden Monaten gescheitert. Fundamental gesehen notiert der ATX beim 11,4-fachen seines KGVs und ist damit deutlich günstiger bewertet als im historischen Schnitt. Die implizierte Risikoprämie ist signifikant gestiegen, was aufgrund der derzeit stattfindenden globalen Verwerfungen in Wirtschaft und Politik kaum verwundern mag. Ein Ausbleiben negativer Schlagzeilen wäre eine wesentliche Voraussetzung für eine Jahresendrally für europäische Aktien, an die wir momentan nicht ganz so recht glauben wollen.


Autor:
Christoph Schultes, MBA, CIIA
Chief Analyst
Erste Group Bank AG
4. Oktober 2018

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