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Weiterhin virtuelle HVs?

Manfred Kainz | Börsen-Kurier

Erinnern Sie sich an das Gesellschaftsrechtliche Covid19-Gesetz und die Verordnung dazu? Die berechtigten Aktiengesellschaften, ihre Hauptversammlungen heuer gänzlich virtuell abzuhalten. Viele haben diese Alternative wahrgenommen. Nun im Sommer ist Gelegenheit für eine Zwischenbilanz: Aus Sicht der Emittenten, die eine virtuelle HV ausgerichtet haben, haben diese in Summe besser funktioniert als vorab vielleicht befürchtet. Technische Wehwehchen konnten in den Griff bekommen werden. Was die Ausübung des Auskunftsrechts der Aktionäre betrifft, so waren die Fragenformulierungen, die man schriftlich einreichen konnte, insgesamt zwar fokussierter auf den Punkt, aber in Summe auch weniger im Vergleich zu den physischen HVs. Auch Anträge und Widersprüche von Aktionären, die über die besonderen Stimmrechtsvertreter eingebracht werden konnten, waren rar. Dafür, so hört man, sind virtuelle HVs eher teurer als Präsenz-HVs – obwohl man sich das Buffet und eventuelle Saalmieten erspart.

Nicht ersetzen kann eine virtuelle HV jedenfalls die wichtige „lebendige“ persönliche Dimension: Dass die Aktionäre „ihrem“ Vorstand und Aufsichtsrat in die Augen schauen können, wenn diese ihnen einmal im Jahr Rede und Antwort stehen müssen, und aus der Frage-Antwort-Session eine echte offene, kritische Auseinandersetzung und Debatte mit zusätzlichem Erkenntnisgewinn wird.

Wie es weitergeht? Bis zum Jahresende stehen noch einige Präsenz- als auch virtuelle HVs heimischer börsennotierter AGs an. Am 31. Dezember 2020 treten Gesetz und Verordnung für virtuelle HVs außer Kraft. Nun mehren sich die Stimmen, dass es sinnvoll wäre, diese Regelungen bis 2021 zu verlängern. Begründung: Die Corona-Risikodebatte wird wohl mangels Medikament und Impfung zu Silvester nicht vom Tisch sein. Und da sich virtuelle HVs in der Praxis bewährt haben, sollten solche auch 2021 noch erlaubt sein. Gutes Argument ist der verbleibende Risikofaktor: In den wochenlangen Einberufungsfristen zu einer Präsenz-HV kann viel passieren. Wenn in dieser Zeit Ansteckungszahlen signifikant steigen, ist es dann den Aktionären zuzumuten, dass sie physisch kommen müssen? Und ein komplettes kurzfristiges Umplanen, Absagen oder Verschieben der HV, wenn die Corona-Ampel umspringt und restriktivere Sicherheitsregeln in Kraft treten, ist für AGs und Aktionäre auch nicht gerade wünschenswert.

 

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