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Vorerst kein weiterer EZB-Stimulus

Experten gehen von einer dauerhaften Euro-Stärke aus. Die Konjunktur macht aber mehr Sorgen.

Roman Steinbauer | Börsen-Kurier

Zur EZB-Notenbanksitzung am 10. September legte der Börsen-Kurier diesmal die Ohren an. Die Ankäufe am Anleihen-Sektor wurden von der Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) Christine Lagarde schon verteidigt. „Wir setzten mit dem Asset-Purchase-Programm das richtige Werkzeug ein! – Das zeigten die vergangenen Monate. Wir sind bereit, nach Notwendigkeit zu justieren und alle Instrumente zu nutzen, die notwendig sind. Und die Wahrscheinlichkeit dazu ist sehr groß.“ Lagarde untermauerte: „Der Euroraum wurde durch die Konditionen auf dem Finanzmarkt bisher gut unterstützt. Der Kreditsektor wird profitieren. Die Aussichten werden zu Beginn 2021 ins Positive drehen.“ Selbst bezifferte, die in Le Havre aufgewachsene Juristin das bisherige durchschnittliche 10-Jahres-Wachstum der Euro-Zone aber mit mageren 1,3 %.

Die Euro-Aufwertung kein Aktionsauslöser

Angesichts einer gewünschten raschen wirtschaftlichen Erholung der Euro-Zone rückten schon vor der Sitzung der starke Euro und Äußerungen dazu in den Markt-Fokus. Verteuerte sich doch die europäische Devise gegenüber dem US-Dollar binnen sechs Monate um 10 %, dem japanischen Yen um 8 % und dem Yuan um 5 % – eine Belastung für die Exportwirtschaft, die in Wirtschaftskreisen weitgehend nicht gewünscht wird. Journalisten fragten zu Schmerzgrenzen und einem Handeln nach. Lagarde dazu: „Die EZB gibt sich keinen Zielwert vor. Wir kommentieren keinen Stand der Wechselkurse. Unser Mandat ist Preisstabilität.“ Dennoch waren die Äußerungen der ehemaligen Synchronschwimmerin divergierend. Bestätigt wurde von der Präsidentin der EZB, dass die Währungsrelationen unter Beobachtung stünden. „Wir haben es auf dem Monitor, schon deshalb, da dieser Faktor die Inflationserwartungen tangiert. Es gibt aber keinen Grund, zu reagieren.“ Für August wurde ein negativer Preisentwicklungswert (-0,2 %) ermittelt, der für September nicht mehr gesehen werde. Sie skizzierte: „Deflationsrisiken gehen zurück, wir erwarten ein niedriges Inflationsniveau.“ Die EZB-Schätzung zur Kerninflation wurde für 2021 auf 1,3 % revidiert – für 2022 verharre diese ebenso auf diesen Stand. Nicht ausreichend beantwortet wurde die Frage zu einem zusätzlichen Banken-Stimulus an der südlichen Euro-Peripherie. Zu Erwartungen der Politik auf dem „Alten Kontinent“ angesprochen, erwähnte Lagarde: „Wir würden gerne ein homogeneres Bankensystem und eine Union des Kapitalmarktes sehen.“

Konjunkturbedenken überwiegen

Analysten der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) gehen unterdessen von einer dauerhaften Stärke des Euro aus. Deren Prognose für Mitte kommenden Jahres liegt bei 1,23. Der Zinsvorteil der US-Staatsanleihen sei geschwunden. Die LBBW weist auf Deutschlands 47-%-Anteil der Ausfuhren im Verhältnis zum BIP hin. Es werde eine Belastung der Gewinnmargen gesehen, doch habe die Konjunkturlage der Handelspartner noch mehr Gewicht. Analyst Martin Güth weist auf Entkoppelungen des Exports hin. So sei der starke Euro zwischen 2004 und 2007 (im Frühling 2008 stand der Euro über 1,50 zum US-Dollar) durch eine robuste Weltkonjunktur überkompensiert worden. Heute sehe der Konsum-Hintergrund aber weniger rosig aus. Ein Drittel der deutschen Ausfuhren sei vom Wechselkurs unabhängig, da diese in Länder der Eurozone gingen. Mit 8,9 % sei der Anteil der Ausfuhren in die USA vergleichsweise gering. Im Umkehrschluss heißt dieser Hinweis der LBBW aber, dass 54 % der Exporte in Wirtschaftsräume mit einer teilweise ebenso abgleitenden Devise gehen (Japan, Australien, Kanada).

 

 

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