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Tina trägt die Wall Street

Jens Korte | Börsen-Kurier

Herbert Spencer war fest davon überzeugt, dass der technologische Fortschritt die gesellschaftlichen Probleme lösen werde. Spencer lebte von 1820 bis 1903. Er war ein großer Befürworter der freien Märkte. Kritikern des Kapitalismus hielt er entgegen: „There Is No Alternative!“ Es gebe keine Alternative. Auf den sogenannten „TINA-Effekt“ verwies auch Margaret Thatcher in den 80er Jahren. Kritikern ihrer neoliberalen Politik hielt die Premierministerin ent¬gegen: „There is no alternative!“ Es sein denn, die Briten wünschten Zustände wie in der Sowjetunion.

Mehr als 100 Jahre nach Spencer steht auch die Wall Street ganz im Zeichen von TINA. Eigentlich gab es in den vergangenen Wochen ausreichend Gründe, um Aktien zu verkaufen. An vorderster Stelle stehen die Unwägbarkeiten im Zusammenhang mit dem Choronavirus. In den ersten zwei Wochen im Feber sind die Absatzzahlen in der chinesischen Autoindustrie um 92 % eingebrochen. Und China ist mittlerweile der größte Automarkt der Welt. Bei der Luftfahrt sieht das ähnlich aus. Laut Schätzungen der IATA könnten sich die Verluste der asiatischen Fluggesellschaften in diesem Jahr auf 28 MrdUSD belaufen.

Es kann natürlich sein, dass kein Grund zur Panik besteht. Møller-Mærsk, einer der größten Reeder der Welt, teilte in der Vorwoche mit, dass in zwei Wochen der Tiefpunkt der Krise überstanden sein dürfte. Aber das wissen die Verantwortlichen bei der Reederei natürlich auch nicht mit Gewissheit. Das Management von Coca-Cola räumt ein, dass der Absatz im laufenden Quartal wegen des Virus beeinträchtigt werde. Coke generiert etwa 10 % des Volumens in der Volksrepublik. Doch auf Jahressicht hält der Softdrink-Konzern noch an den Prognosen fest.

Eigentlich reagieren Börsen negativ auf Unsicherheit. Doch an TINA führt offenbar kein Weg vorbei. Zwar gab es zuletzt, mit einer Ausweitung des Virus in Italien und Südkorea, einen Rücksetzer, allerdings erreichten S&P 500 und Nasdaq Composite Mitte vergangener Woche noch neue Rekordmarken. Bonds bleiben mit historisch tiefen Zinsen unattraktiv. Gold findet derzeit zwar einige Abnehmer. Aber unter dem Strich sehen Anleger wenig Alternativen zu Aktien. Und sollte sich die Situation doch zuspitzen, bleibt ja immer noch die Notenbank. Bereits jetzt stehen die Wetten an der Wall Street auf rund 60 %, dass die Fed spätestens im Sommer eine weitere Zinssenkung vornehmen wird. 63 % der Marktteilnehmer rechnen bis Jahresende sogar mit zwei Zinssenkungen. Und wie lautet eine alte Börsenregel: „Never fight the Fed!“ - wette niemals gegen die US-Notenbank.

 

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