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Solange der Vorrat reicht...

Michael Kordovsky | Börsen-Kurier

Beginnende Hyperinflation bei Industrieprodukten?

Noch federt der Einzelhandel so manches an Verteuerung ab und im Durchschnitt der breit gefächerten Verbraucherpreisindizes in denen Wohnen ohnehin stiefmütterlich behandelt wird, ist die Inflation noch überschaubar. Aber erneut 5,4 % in den USA und 3,4 % im Euroraum liegen bereits weit über dem Stabilitätsziel der Notenbanken von 2 %. 

Stromerzeugung steht auf dem Spiel

Im Energiebereich ist bereits die Hölle los. Die Energiewende hin zu erneuerbaren Energien hat ihre Tücken. Heuer gab es in Europa weniger Sonnentage und Windflauten und schon steigt der Bedarf an fossilen Brennstoffen. Den Chinesen geht wegen vorangegangener Schließungen von Gruben und einem Handelsstreit mit Australien langsam die Kohle aus, während in den USA gleich mehrere Faktoren zusammenkommen. 

Es begann in den Wintermonaten mit einer Kältewelle in Texas, die zum Ausfall von Stromerzeugungsanlagen führte. Als Verarbeitungs- und Handhabungsgeräte an Strom verloren, ging die Versorgung mit Erdgas zurück, was zur Stilllegung gasbefeuerter Kraftwerke führte und die Stromknappheit erneut verschärfte. Im Sommer führte eine Hitzewelle in den USA wegen erhöhten Strombedarfs für Klimaanlagen zu einem Rückgang der Gasvorräte.

Die Folge: eine Vervielfachung der Erdgaspreise und der Kohlepreis stieg bis 1. Oktober auf Jahressicht um 479 %. Während die Erdgaspreise bereits wieder korrigieren, geht es beim Erdöl weiter nach oben: Der Preis der Ölsorte Brent liegt auf Jahresbasis (per 15. Oktober) bereits 89 % im Plus. Mittlerweile steht im Westen die lückenlose Stromversorgung auf dem Spiel und die entscheidende Farge wird lauten: Entweder weiter die viel zu schnelle Abkehr von Atom, Kohle und Gas, oder die Rückkehr zu fossilen Energieträgern?

Preisexplosion bei Industrierohstoffen

Enorme Knappheit gibt es offensichtlich auch bei den Industriemetallen. Zumindest kommunizieren dies jüngste Preissteigerungen: Der Zinnpreis hat sich auf Jahressicht mehr als verdoppelt, Primäraluminium verteuerte sich um 70 %, Kupfer um 52 % und auf Monatsbasis fällt Zink mit 25 % Plus auf. Gleichzeitig explodieren die Preise für Energierohstoffe. Auf Monatsbasis liegen Erdgas 37 %, Diesel 17,4 % und Heizöl 16,4 % im Plus. Manche Treib-stoffzusätze haben sich binnen weniger Monate im Preis vervielfacht. Auch Baumaterialien, vor allem Holz sind stark im Aufwind. Der Holzpreis stieg binnen eines Monats um 19,5 % und binnen drei Monaten um 41 %. Der Preis für Hafer stieg binnen eines Jahres um 132 %. Kaffee und Mais haben sich je um ein Drittel bzw. 76 % verteuert. 

Die Durststrecke wird noch andauern

Bis neue Minenkapazitäten aufgebaut worden sind, vergehen mehrere Jahre, und auch im Halbleiterbereich, wo Chipknappheiten die Autoindustrie lahmlegen, könnte es noch bis zu einem Jahr dauern, bis das Ärgste vorbei ist. Experten von Boston Consulting (BC) erwarten für heuer einen weltweiten Produktionsausfall von bis zu 11 Mio. Autos. Die Jahresproduktion lag zuletzt zwischen 70 und 80 Mio Fahrzeuge. 

Alleine BMW rechnet damit, dass in diesem Jahr wegen der Chipkrise 80.000 bis 100.000 Autos nicht gebaut werden können. Mercedes liefert ein Drittel weniger Autos aus. 
Und es kommt noch schlimmer, denn das wichtige Legierungsmetall Magnesium, das zu 87 % aus China kommt, wird in Europa voraussichtlich spätestens Ende November erschöpft sein. Denn mindestens 31 Magnesiumwerke in den wichtigen Produktionszentren der Welt sind entweder stillgelegt oder gedrosselt worden.

Weitere Inflationsschübe

Wen wundert es dann, dass die Erzeugerpreise im Euroraum und der EU im August auf Jahresbasis um je 13,4 bzw. 13,5 % stiegen? Im Euroraum haben sich Energie und Vorleistungsgüter um je 32 bzw. 14,2 % verteuert, während die Preissteigerung ohne Energie insgesamt „nur“ bei 7,4 % lag. Die Erzeugerpreisanstiege variieren von Land zu Land. In Irland lagen sie bei 54,8 %, gefolgt von Belgien (23,9 %) und Dänemark (23,8 %). In Österreich und Deutschland lag der Anstieg bei 10,2 bzw. 10,9 %.

Diese Teuerung bahnt sich immer mehr den Weg zum Verbraucher. Täglich ereilen uns Nachrichten über Produktverteuerungen, ausverkaufte Waren und lange Lieferzeiten. Dies wird vor allem das Weihnachtsgeschäft beeinträchtigen. Die Nachfrage ist da, aber das Angebot knapp und der häufigste und künftig am meisten verhasste Zusatz bei Angeboten wird lauten: „Solange der Vorrat reicht.“

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