Wiener Börse News

Die Rahmenbedingungen für Rückgang der Inflation

Michael Kordovsky | Börsen-Kurier

Freie Wirtschaftszyklen und eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik sind beste Voraussetzungen.

In der Halbleiterindustrie erleben wir immer wieder ein Auf und Ab. Neue Produktgenerationen von Smartphones, PCs, Notebooks und Spielekonsolen beflügeln die Nachfrage und die Preise für diverse Chips steigen. Das bewegt Halbleiterproduzenten zum Ausbau von Produktionskapazitäten. In einer gewissen Zeitverzögerung steigt das Angebot, während die Nachfrage bereits ihren Zenit überschritten hat. Die Chippreise beginnen zu fallen. Mit abflauender Nachfrage beschleunigt sich der Abschwung, bis Produktionskapazitäten stillgelegt werden und sich die Preise wieder stabilisieren. 

In alten Volkswirtschaftsbüchern sind nach gleichem Schema die klassischen „Schweinezyklen“ beschrieben. Lässt man ohne Preisabsprachen diesen Zyklen freien Lauf, wirkt dies in einer freien Marktwirtschaft zu starken Preisentwicklungen automatisch entgegen. Leider gibt es aktuell aber nachstehende Problematiken.

Inflationsfaktoren

Zuerst sorgte die Pandemie für Lieferkettenunterbrechungen. Dann folgte ein Energiepreisschock infolge des Ukrainekriegs, der in der Autoindustrie Lieferketten unterbrach, zwischenzeitlich zu einer Einstellung ukrainischer Getreideexporte führte und eine Verknappung von Düngemittel aus Russland und Belarus zur Folge hatte. Verteuerten sich ursprünglich primär die (Energie)Rohstoffpreise und Nahrungsmittel, so verfestigt sich die Inflation immer mehr auf breiter Basis, was nun vor allem in Europa mit stärkeren Lohnrunden zusammenhängt und somit auch die Dienstleistungspreise nach oben treibt. Nicht umsonst bereitet nun die Kerninflation der EZB-Sorgen. Die Inflationsrate ohne die volatilen Komponenten Energie, Lebensmittel, Alkohol und Tabak erreichte im März 2023 mit 5,7 % ein Rekordhoch und war im April nur marginal auf 5,6 % rückläufig. Die Teuerung der Dienstleistungspreise beschleunigte sich infolge stärkerer Lohnrunden von 3,3 % im April 2022 auf heuer 5,2 %. 

Was allerdings positiv ist, ist die Tatsache, dass sowohl in den USA als auch in Europa die sogenannte „Headline Inflation“ rückläufig ist. In den USA erreichte diese im Juni 2022 mit 9,1 % ihr zyklisches Hoch und bildet seither einen Scheitel. Bis April 2023 folgte ein Rückgang auf 4,9 %. Im Euroraum erreichte die Gesamtinflation im Oktober 2022 mit 10,6 % ihren Höhepunkt und war infolge einer Beruhigung des Preisauftriebs der Energiepreise bis März 2023 auf 6,9 % rückläufig, ehe infolge eines erneuten Anstiegs der Energiepreiskomponente im April wieder ein Anstieg auf 7 % folgte.

Was allerdings bis dato die Headline-Inflation einbremste, war ein Wirtschaftsabschwung in Kombination mit einem klimatisch warmen Winter. Die Erdgasreserven dafür reichten und die Lager sind gut gefüllt. Deshalb entwickelte sich der Preis für UK-Gas binnen sechs Monaten um 75 % rückläufig. Rohöl der Ölsorte Brent ist auf Jahressicht mehr als 18 % im Minus und aufgrund der Auslieferungen von Weizen aus der Ukraine brach der Weizenpreis binnen sechs Monaten um mehr als 27 % ein. Gleichzeitig endeten mit dem Ende der Corona-Lockdowns in China auch die Lieferunterbrechungen. 

All diese Entwicklungen drückten auch den von der Fed beobachten Preisindex der persönlichen Konsumausgaben (PCE) nach unten, der die Veränderungen der Preise für Waren und Dienstleistungen misst, die von privaten Haushalten gekauft werden. Der PCE-Preisindex war von November 2022 bis März 2023 von 5,7 auf 4,2 % rückläufig, aber die Kernrate (ex Nahrungsmittel und Energie) hält sich hartnäckig auf hohem Niveau und war im gleichen Zeitraum nur von 4,8 auf 4,6 % rückläufig. Die Dienstleistungspreise verteuerten sich nämlich im März um 5,5 % und der US-Arbeitsmarkt ist mit einer Arbeitslosenquote von nur noch 3,4 % völlig ausgetrocknet. 

Leitzinsanhebungen und mögliche staatliche Maßnahmen

Da bereits die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale besteht, hat die Fed seit Mitte März 2022 in zehn Schritten die Fed-Fund-Rate von 0 bis 0,25 auf 5,00 bis 5,25 % angehoben. Dies soll wegen höherer Finanzierungskosten die Investitionstätigkeit von Firmen und größere Anschaffungen von Privatpersonen drosseln und infolge einer höheren Arbeitslosigkeit und eines schwächeren Konsums den Preisdruck entspannen. Inverse Zinskurven in den USA und in Europa kündigen bereits eine kommende Rezession an, die weiteren Druck von den Preisen nehmen würde. Doch mit einem wichtigen Einkaufsmanager-Index auf einem Elf-Monats-Hoch und einer Beschleunigung des jährlichen BIP-Wachstums vom vierten Quartal 2022 auf das erste Quartal 2023 von 0,9 auf 1,6 % sieht es vorerst in den USA nicht nach Rezession aus. Aller-dings gibt es hohe Unsicherheiten, ausgehend vom Bankensystem. Eine Kreditklemme infolge einer Bankenpleitenwelle könnte durch-aus eine Rezession auslösen und disinflationär wirken. Gleiches gilt für den Euroraum, wo sich das BIP-Wachstum vom vierten Quartal 2022 auf das erste Quartal 2023 von 1,8 auf 1,3 % verlangsamte.

Während die Inflationsrate in Belgien, Spanien, den Niederlanden und Frankreich im April mit 3,3 %, 3,8 % bzw. 5,8 % gegenüber früheren Monaten entsprechend rückläufig ist, liegt sie in Österreich noch immer bei hohen 9,5 %. Vor allem an der Supermarktkasse spürt die Bevölkerung die Teuerung. Eine mögliche temporäre Gegenmaßnahme: Supermarkt-Ketten, die im Vorjahresvergleich ihre Preise umsatzgewichtet um mindestens 2 % senkten, werden in diesem Jahr von der Unternehmenssteuer befreit. Hingegen für Preisanhebungen von insgesamt mehr als 2 % gibt es hohe Strafzuschläge auf die Unternehmenssteuer. Dies und eine generell angebotsorientierte Wirtschaftspolitik in Form der Erleichterung für neue Firmengründungen durch Liberalisierung der Gewerbeordnung würde eine rasche Eindämmung der Inflation ermöglichen. Mehr Wettbewerb hält nämlich die Preise in Schach.

Dieser Artikel wurde zur Verfügung gestellt von:

Börsen-Kurier     Jetzt 4 Wochen gratis testen

Hinweis

Die Wiener Börse AG verweist ausdrücklich darauf, dass die angeführten Informationen, Berechnungen und Charts auf Werten aus der Vergangenheit beruhen, aus denen keine Schlüsse auf die zukünftige Entwicklung oder Wertbeständigkeit gezogen werden können. Im Wertpapiergeschäft sind Kursschwankungen und Kapitalverluste möglich. Der Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors wieder und stellt keine Finanzanalyse oder Anlageempfehlung der Wiener Börse AG dar.