Wiener Börse News

Konjunkturelle Frühsignale im Blickpunkt

Michael Kordovsky | Börsen-Kurier

Eine zwischenzeitliche Wachstumsverlangsamung ist zu erwarten.

Der Konjunktur immer einen Schritt voraus sind die Börsenkurse. Demnach sieht es nach einem kräftigen Aufschwung aus, der sich bald verlangsamen wird, was sich darin zeigt, dass zuletzt eine Reihe größerer Märkte eine Verschnaufpause einlegten.

Dieses Bild deckt sich mit den Ergebnissen von Unternehmens- und Konsumentenbefragungen der EU-Kommission im August. Der Economic Sentiment Indicator (ESI) für die EU und Eurozone markierte gerade im Juli ein Allzeithoch, ehe im August eine Konsolidierung einsetzte. Am stärksten ist die Zuversicht im Service-Bereich rückläufig.

Offensichtlich verunsichern die explosionsartig steigenden Corona-Zahlen. Auf der Länderseite stärkere Rückgänge gab es in Frankreich und den Niederlanden, gewisse Abwärtstendenzen zeigten sich auch in Italien, Polen und Spanien. 

US-Amerikaner blicken pessimistisch in die Zukunft

Anders ist die Situation in den USA: Eine regelrechte Talfahrt der Konsumentenstimmung zeigen die von der Universität Michigan erhobenen Daten zum Verbrauchervertrauen. Der Consumer Sentiment Index brach von Juli auf August um 13,4 % ein und signalisiert die schlechtesten Wirtschaftsaussichten seit einem Jahrzehnt. Seit Beginn der Umfragen im Jahr 1978 gab es lediglich sechs weitere Monate mit größerem Minus. 

Während die aktuelle Situation noch das „geringere Übel“ ist (entsprechender Index fiel „nur“ um 7,1 %), sind die Zukunftserwartungen äußerst düster: Der Index der Konsumentenerwartungen brach um 17,6 % ein und liegt auf Jahresbasis bereits 5 % im Minus. Der Pessimismus erstreckt sich quer durch alle demographischen Gruppen und Regionen. Die Ausbreitung der Delta-Variante, höhere Inflation und ein noch nicht einwandfrei funktionierender Arbeitsmarkt verunsichern. 

Europa mit nach wie vor soliden Wirtschaftsdaten

In der Eurozone hingegen herrscht Konsolidierung auf hohem Niveau. Mit aktuell 59 Punkten im August nach 60,2 im Juli, einem der höchsten Werte seit 2006, notiert der finale IHS Markit Eurozone Composite Index (PMI®) erneut so hoch wie selten zuvor in den vergangenen 15 Jahren. Die Produktionsraten der Industrie und die Expansion im Dienstleistungsbereich schwächen sich ab, wobei der Index Produktion in der Industrie auf ein Sechs-Monatstief fiel. 

Im Einklang mit dem ESI der EU-Kommission schwach zeigt sich Frankreich, deren Composite Output Index im August ein Vier-Monatstief markierte. Erfreulich hingegen entwickelte sich der gleiche Index in Italien, wo er sogar ein 182-Monatshoch markierte. Ein wichtiger Frühindikator, der Gesamt-Auftragseingang, zeigte zwar noch ein überdurchschnittlich hohes Plus, doch bei nachlassender Dynamik. 

Wachstumsgrenzen insbesondere in der Produktionswirtschaft sind anhaltende Materialengpässe und Lieferschwierigkeiten. Per Saldo führen die Aufhebungen von Corona-Beschränkungen im Euroraum und ein nach wie vor solides Wachstum in der Privatwirtschaft dazu, dass sich Aktivitätsniveau und Wachstum zunehmend normalisieren. 

Stark sind die Neuaufträge für den Produktionsbereich in den USA, was im August beim Manufacturing ISM® des ISM® (Institute for Supply Management®) Zuwächse bei Neuaufträgen und Exportorders zeigt. Hingegen rückläufig sind die Exportorders im US-Dienstleistungsbereich.

Unsicherheitsfaktor China

Ein wesentlicher Konjunkturfaktor ist und bleibt indessen China, dessen Wirtschaftswachstum der Inflation zum Opfer fallen könnte. Dann wäre von einer Stagflation die Rede. Fakt ist, dass die chinesischen Industriebetriebe ihre Preise im August wegen steigender Rohstoffpreise so stark angehoben haben wie seit 13 Jahren nicht mehr, nämlich um 9,5 %. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist die Eindämmung der Corona-Delta-Variante in China, zudem sich zunehmende Regulierungen durch die Regierung (z. B. Verstaatlichung des Bildungswesens) dazugesellen.

Börsen-Kurier-Fazit

Solange es zu keinen größeren Einschränkungen der Lieferketten, des Flugverkehrs und von Handel und Dienstleistungen kommt, kann sich nach einer kurzen Konsolidierungsphase ein erneuter Wachstumsschub anbahnen, denn es ist genügend billiges Geld im Umlauf und eine negative Verbraucherstimmung in den USA kann bei erfreulichen Nachrichten schnell wieder umschlagen. Ein paar politische Fragezeichen bleiben indessen in China.

 

Dieser Artikel wurde zur Verfügung gestellt von:

Börsen-Kurier     Jetzt 4 Wochen gratis testen

Hinweis

Die Wiener Börse AG verweist ausdrücklich darauf, dass die angeführten Informationen, Berechnungen und Charts auf Werten aus der Vergangenheit beruhen, aus denen keine Schlüsse auf die zukünftige Entwicklung oder Wertbeständigkeit gezogen werden können. Im Wertpapiergeschäft sind Kursschwankungen und Kapitalverluste möglich. Der Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors wieder und stellt keine Finanzanalyse oder Anlageempfehlung der Wiener Börse AG dar.