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Kapitalmarktunion kommt in die Gänge

Manfred Kainz | Börsen-Kurier

Unter österreichischer Leitung wurden Empfehlungen finalisiert.

Der Kapitalmarkt Österreichs gehört zu den kleinen in Europa. Dafür ist es ein Österreicher, der die europäischen Kapitalmärkte maßgeblich vorantreibt. Thomas Wieser, bis 2018 Leiter der Eurogruppe, wurde im Herbst 2019 zum Leiter des sogenannten „High Level Forum zur Kapitalmarktunion“ ernannt. Dieses Gremium wurde von der EU-Kommission eingerichtet und setzt sich aus 28 internationalen Fachleuten aus der Finanzbranche, Wissenschaft, Konsumentenschutz und Vertretern anderer europäischer Spitzenbehörden aus der Finanzwelt (wie EZB, EBA, ESMA und EIOPA) zusammen. Aufgabe dieser Runde: praktische Umsetzungsempfehlungen für eine echte Kapitalmarktunion auszuarbeiten, die gewährleisten, dass alle Bürger und Unternehmen in der EU unabhängig von ihrem (Wohn-)Sitz zu gleichen Bedingungen Zugang zu und Nutzen von den Kapitalmärkten haben. Im Juni 2020 hat das „High Level Forum“ seinen „Final Report“ vorgelegt. Das fiel nicht zufällig mit den ambitionierten Plänen der EU zum Wiederaufbau der europäischen Wirtschaft im Zuge der Corona-Krise zusammen. Die Kapitalmärkte können und sollen neue finanzielle Quellen für Unternehmen und Investoren liefern. Wenn man heute von Investments in Nachhaltigkeit, Klimaschutz, neue Technologien und die dafür nötigen Infrastrukturen spricht, die die Säule der wirtschaftlichen Recovery sein sollen, kommt dem Kapitalmarkt eine zentrale Rolle zur Mobilisierung von langfristigem Anlagekapital zu. Nicht umsonst deshalb heißt der Report „A new Vision for Europe's Capital Markets“.

Es ist viel zu tun

„High Level Forum“-Vorsitzender Wieser legt Wert darauf, dass der Report „nicht abstrakte Ideen“ oder hochgestochene theoretische Prinzipien enthält, sondern „vielmehr klare und präzise Empfehlungen“, was zu tun ist, um Europa auch auf der Kapitalmarktseite voranzubringen. Und er betont, dass das Konvolut „nicht eine Menükarte ist, von der man zwei oder drei Gerichte bestellt und zufrieden nach Hause geht“. Nein, es gehe um 17 „Cluster bzw. Maßnahmenbündel“, die miteinander verknüpft und abhängig voneinander sind, einander beeinflussen und gegenseitig verstärken.

Die Palette reicht von vereinfachten Aktien-Veranlagungsvorschriften für institutionelle Investoren wie Versicherungen über standardisierte, schnellere, grenzüberschreitende Steuerabwicklung für Privatanleger, die in ausländische Wertpapiere investieren, bis zu praktischen Verbesserungen für Aufsicht und Regulierungen. Und damit europäische Unternehmen nicht (z.B. in die USA) auswandern müssen, um an Kapitalgeber bzw. Investorengelder zu kommen, solle eine zentrale Plattform für standardisierte EU-Unternehmensdaten eingerichtet werden. Damit können potenzielle Investoren auf eine transparente Grundlage zurückgreifen, wenn sie sich für Anlagemöglichkeiten interessieren.

KMU an die Börse

Was besonders für österreichische Marktteilnehmer ein Signal ist, so Wieser, sind die Vorhaben, den Zugang zum Kapitalmarkt für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu erleichtern, um damit die Kosten für ein Listing (die heute oft eine Barriere sind) deutlich zu senken. Dazu kommen noch die Vorschläge zur Reduzierung von komplexen Vorschriften und der Formularflut, was ebenfalls Kostenersparnisse bringt und den Anlegern, aber auch Intermediären wie Banken zu Gute kommt.

Wieser ist überzeugt, dass die Herausforderungen unserer Gegenwart und Zukunft wie Klimawandel, Wirtschafts-Recovery, Digitalisierung und Pensionsfinanzierung riesige Volumina an Finanzmitteln erfordern (werden). Die aber nicht über Steuern gestemmt werden können, sondern über die Kapitalmärkte. Dazu brauche es aber ein Abgehen von 27 nationalen, großen und kleinen Kapitalmärkten, die von nationaler Politik von einander abgeschottet werden.

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