Michael Kordovsky | Börsen-Kurier
Ein solides US-Wirtschaftswachstum und Impulse aus China geben Hoffnung.
Nicht umsonst hat die Fed im September ihre BIP-Wachstumsprognose für die US-Wirtschaft gegenüber Juni um 1,1 %-Punkte auf 2,1 % nach oben revidiert. Bereits in den ersten beiden Quartalen wuchs die US-Wirtschaft annualisiert gegenüber den Vorquartalen um jeweils 2,2 bzw. 2,1 %. Auf Jahresbasis gegenüber den Vorjahresquartalen beschleunigte sich das US-Wirtschaftswachstum vom ersten auf das zweite Quartal von 1,7 auf 2,4 %. Wachstumsträger waren dabei der Konsum langlebiger Wirtschaftsgüter und Staatsausgaben. Der Staat gleicht hier einiges an Schwäche der Privatwirtschaft aus, die laut vorläufigen Einkaufsmanager-Index-Daten für September stagniert. Allerding hat sich der Abschwung drastisch verlangsamt und der „S&P Global Flash US-Manufacturing PMI“, der die Produktionsaktivitäten zeigt, stieg um einen auf 48,9 Punkte (Expansionsbereich ab 50 Punkte). Die hohen Zinsen wirken und die Investitionsnachfrage schwächelt. Doch es gibt eine Zinsanhebungspause und Aussichten auf fallende Zinsen im kommenden Jahr. Noch baut die Industrie ihre Lagerbestände weiter ab und auch der Handel hat tendenziell niedrigere Lagerbestände, weshalb ein neuer Bestellschub in den kommenden Monaten weitere Lichtblicke signalisieren könnte. In den USA erscheint - bei entsprechenden Staatsausgaben - ein moderates BIP-Wachstum auch für 2024 plausibel. Die Volkswirte der Fed gingen zuletzt von einem Zuwachs von 1,5 % aus.
Konjunkturimpulse aus China
Ein weiterer wichtiger globaler Konjunkturfaktor bleibt China. Hier herrscht infolge der Verlagerung von Lieferketten eine Exportschwäche. Hinzu kommen eine Immobilienkrise, Rekord-Jugendarbeitslosigkeit von mehr als 20 % und eine volkswirtschaftliche Gesamtverschuldung von mehr als 300 % des BIP. Diesen Rahmenbedingungen begegnete die chinesische Zentralbank neben Leitzinssenkungen mit einer zweiten Senkung der Mindestreserve im Jahr 2023. Die Mindestreserven für Banken reduzierten sich per 15. September 2023 um 25 Basispunkte auf rund 7,4 %. Darüber hinaus befreit die chinesische Regierung Betriebe mit einem monatlichen Umsatz von weniger als umgerechnet rund 12.700 E für vier weitere Jahre von der Mehrwertsteuer, und wer bisher 3 % auf steuerpflichtige Umsätze zahlte, muss nur noch 1 % abführen.
Diese Maßnahmen sind Lichtblicke, und eine mögliche Trendwende signalisieren auch folgende Daten für den August 2023: Von Juli auf August beschleunigte sich das Wachstum des Einzelhandelsumsatzes von 2,5 auf 4,6 % und die Industrieproduktion wuchs um 4,5 % (Juli: 3,7 %), während Analysten nur mit 3,9 % rechneten - das war das schnellste Produktionswachstum seit April 2023. Die Kreditvergabe der Banken fiel zuletzt besser als erwartet aus und der private Industriebetriebe im verarbeitenden Sektor repräsentierende „China Caixin Manufacturing PMI“ drehte von 49,2 auf 51,0 Punkte wieder in den Expansionsbereich (höchster Wert seit Feber 2023). Neue Auftragseingänge und der Produktionslevel expandieren wieder erstmals seit sechs Monaten. Diese Entwicklungen reflektieren auch die Rohölpreise: WTI-Rohöl liegt auf Monatsbasis 12 % im Plus.
Europa braucht neue Impulse seitens der Exportwirtschaft
Vom ersten auf das zweite Quartal hat sich das BIP-Wachstum der Eurozone von 1,1 auf 0,5 % verlangsamt. Bereits mindestens zwei Quartale in Folge ein rückläufiges BIP-Wachstum weisen die Länder Tschechien, Deutschland, Estland und Luxemburg auf. Eine Stütze des BIP im Euroraum stellen mit einem Plus von 1,3 % im zweiten Quartal noch die Bruttoanlageinvestitionen dar, während die privaten Konsumausgaben mit +0,2 % nahezu stagnieren. Um 0,7 % rückläufig entwickelten sich die Exporte. Aus dem „HCOB Flash PMI® Eurozone“ (September 23) lässt sich Folgendes ableiten: Die Industrie der Eurozone befindet sich in einer Rezession. Die Schwäche des Service-Sektors fällt allerdings moderater aus. Aber hier bricht das Neugeschäft so stark ein wie zuletzt während der Pandemie. Unternehmen geraten zunehmend in eine Preis-Kosten-Schere.
Noch bauen Unternehmen ihre Lagerbestände ab - ein Prozess der in ein paar Monaten abgeschlossen sein könnte. Dann könnte eine Wende nach oben erfolgen. Trotz zwischenzeitlicher Konjunkturschwäche geht die EZB für 2023 und 2024 jeweils von einem BIP-Wachstum von 0,7 bzw. 1,0 % aus. Eine solide US-Konjunktur und Erholung in China könnten über stärkere Exporte auch die europäische Wirtschaft stimulieren, zumal der US-Dollar zum Euro auf Monatssicht bereits um 3,3 % anstieg und im Dreijahreszeitraum knapp 11 % im Plus liegt.
Fazit
Sowohl für China, die USA und den Euroraum gilt: Um eine globale Rezession zu umschiffen, ist ein gewisser Level an Staatsausgaben in Form von Infrastrukturaufträgen, aber auch in Form von Steuererleichterungen erforderlich. Darüber hinaus wäre eine Phase sinkender Leitzinsen zur Unterstützung von Investitionen von Vorteil. Im Falle einer expansiveren Fiskalpolitik (Stichwort „Deficit Spending“) bei begünstigender Geldpolitik im Euroraum, den USA und China kann eine globale Rezession noch verhindert werden.
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