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Headline-Inflation versus Kerninflation

Michael Kordovsky | Börsen-Kurier

Österreichische Unternehmensanleihen in Kombination mit soliden Dividendenwerten.

In den USA hat die Inflationsrate infolge einer zwischenzeitlichen Konsolidierung der Energie- und Industrierohstoffpreise bereits im Juni mit 9,1 % ihren Peak erreicht. Seither ging es sechs Monate in Folge abwärts, zuletzt von November auf Dezember von 7,1 auf 6,5 %. 

Im Euroraum war im Oktober mit 10,6 % der Höhepunkt erreicht worden ehe die an der Veränderung des HVPI gemessene Inflationsrate im November auf 10,1 % zurückging und im Dezember sogar um 0,9 %-Punkte auf 9,2 % rückläufig war. Interessant zu beobachten ist, dass die Fed bereits Mitte März 2022 mit den Leitzinsanhebungen begann, während die EZB damit noch bis 21. Juli 2022 wartete. Das ist ein Zeitabstand von vier Monaten - genauso wie beim Inflationspeak. Zwar gab es im Euroraum Sonderfaktoren wie besonders hohe Erdgaspreise in den Sommermonaten, kriegsbedingte Lieferkettenunterbrechungen und einen hohen US-Dollarkurs, doch die geldpolitisch zögernde Haltung der EZB könnte durchaus einen Beitrag zum späteren Inflationspeak im Vergleich zu den USA geleistet haben. 

Der Rückgang der Headline- oder Gesamt-Inflation selbst hat hingegen in Europa und den USA die gleichen Ursachen: Chinas strenge Corona-Maßnahmen und Abriegelung von Industrie und Häfen führten dort zu einem Konjunkturabschwung und somit einer rückläufigen (Energie-)Rohstoffnachfrage. In der Folge waren die Preise für Erdöl, diverse Raffinerieprodukte und Industriemetalle rückläufig. 

Welche Wirkung rückläufige Erdölpreise im Euroraum entfalten, kann anhand der im HVPI mit 10,93 % gewichteten Energiepreiskomponente anschaulich illustriert werden. Ihr Anstieg lag im Oktober noch bei 41,5 %, ehe sich die Teuerungsdynamik bis Dezember auf 25,7 % verlangsamte. 

Kerninflation steigt weiter

Doch sowohl die Fed als auch EZB werfen einen kritischen Blick auf die Kerninflationsrate. Im Euroraum stieg der HVPI ex Energie, Lebensmittel, Alkohol und Tabak von November auf Dezember weiter von 5,0 auf 5,2 %. Aufgrund höherer Tarife nahmen die Preissteigerungen bei den Dienstleistungen von 4,2 % im November auf 4,4 % im Dezember 2022 weiter zu. Der Preisaufschwung bei Industriegütern ohne Energie beschleunigte sich bis Oktober kontinuierlich auf 6,1 % und verharrte dort im November, ehe im Dezember ein Anstieg auf 6,4 % folgte. 

In den USA erreichte die Kerninflationsrate, also Headline-Inflation ohne die preisvolatilen Komponenten Nahrungsmittel und Energie, im September 2022 mit 6,6 % ihren Höhepunkt und markierte den höchsten Stand seit August 1982. Dann folgte bis Dezember 2022 ein kontinuierlicher Rückgang auf 5,7 %. Im Dezember waren in den USA die Gebrauchtwagenpreise auf Jahresbasis sogar um 8,8 % rückläufig. Hingegen Flugtickets verteuerten sich um 28,5 %. 

Latente Lohninflationsrisiken?

Doch worauf es besonders ankommt, sind die stark mit den Lohnkosten korrelierenden Dienstleistungspreise. Nachdem sich die Energiekosten in den USA mäßigten, beobachtet jetzt die Fed insbesondere die Service-Inflation. Es geht hier um die Identifikation der Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale. Im Dezember 2022 stieg in den USA der Subindex für Services ex Energie-Services auf Jahresbasis um 7 %. Trotz einer Arbeitslosenquote von niedrigen 3,5 % im Dezember hat sich von November auf Dezember der jährliche Anstieg der Stundenlöhne im Privatsektor (ex Agrar) von 5,1 auf 4,6 % verlangsamt. 

Der durch höhere Zinsen beschleunigte Konjunkturabschwung zeigt Wirkung. In Europa hingegen haben die Gewerkschaften mehr Einfluss und diese fordern im aktuellen Umfeld Inflationsausgleich. In Europa ist somit die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale höher als in den USA. Die EZB ist somit gefordert, in puncto Inflationsbekämpfung noch einiges zu tun. Allerdings kann ein sich fortsetzender globaler Konjunkturabschwung weltweit zu einer Mäßigung des Preisniveaus beitragen. Doch sollte in China plötzlich die Konjunktur und somit auch Rohstoffnachfrage anspringen, dann ist mit einem zweiten Inflationsschub zu rechnen.

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Zwischenzeitliche Entspannung an der Inflationsfront.