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Bringt „Know Your Shareholder“ den gläsernen Aktionär?

Direktkommunikation zwischen AG und Aktionären kommt – und wird nicht gratis sein.

Manfred Kainz | Börsen-Kurier

Die ersten Auswirkungen der Umsetzung der sogenannten „EU-Aktionärsrechterichtlinie II“ in Österreich erleben wir in der heurigen Hauptversammlungssaison: Den Tagesordnungs- und Abstimmungspunkt Vergütungspolitik und Vergütungsbericht, im Fachjargon „Say on Pay“ genannt. Die Richtlinie hat aber noch andere Kernthemen, wie die Identifizierung der Aktionäre – zur direkten Kommunikation zwischen Gesellschaft und Aktionären – sowie Übermittlung von Informationen und Erleichterung der Stimmrechteausübung. Dieses künftige „Know your Shareholder“ war Diskussionsthema beim Bankenkongress KURS 2020 von imh. Denn der Teil „Identifizierung der Aktionäre“ tritt mit der Durchführungsverordnung demnächst – am 3. September 2020 – in Kraft. Und zwar unmittelbar, das heißt, es braucht keine Gesetzesänderung mehr. Betroffen sind die börsennotierten Aktiengesellschaften an der Wiener Börse.

Info hin und her

Das Ziel klingt ja gut: Den Aktiengesellschaften die direkte Kommunikation mit ihren Aktionären zu erleichtern und die Übermittlung von Informationen vom Emittenten über Intermediäre (z.B. Banken) zum Aktionär und retour zu verbessern. Dafür soll die Informationsweiterleitung effizienter gestaltet und die vollständige Digitalisierung der Kommunikation zwischen Gesellschaft und Aktionariat vorbereitet werden. Die AGs müssen Intermediäre ansprechen, die die Informationen sodann weiterleiten.

Umgekehrt heißt das: Die Intermediäre (also etwa Depotbanken) sind verpflichtet, Informationen über die Identität von Aktionären an die Gesellschaft (auf deren Anfrage) zu übermitteln. Dazu haben sie das Recht zur Identifikation, wenn Aktionäre 0,5 % oder mehr an Aktien oder Stimmrechten halten. Und Aktionäre haben ein Recht auf Berichtigung unvollständiger und unrichtiger Angaben zu ihrer Identität als Aktionär. Andererseits sind Aktiengesellschaften verpflichtet, Informationen über Unternehmensereignisse an die Intermediäre zu liefern. Und der Intermediär, der die Information über ein Unternehmensereignis erhält, ist verpflichtet, die Information über das Unternehmensereignis „unverzüglich“ weiterzuleiten. Unverzüglich heißt in der Praxis: am gleichen Tag. Wenn sich Intermediäre nicht an all die Verpflichtungen halten, drohen Geldstrafen bis zu 25.000 Euro.

Nicht gratis

Nun ist das Erfüllen dieser Vorgaben für die durchführenden Intermediäre mit Kosten für die erbrachte Dienstleistungen verbunden. Und so taucht die Frage der Weiterverrechnung, also der potenziellen Überwälzung auf die Depotkunden, auf. Kostentransparenz ist gefragt. Dafür fordert das Börsegesetz, dass Entgeltverrechnung „angemessen, das heißt diskriminierungsfrei und im Verhältnis zu den tatsächlichen Kosten“ für die Erbringung der Dienstleistung erfolgen muss.

Fazit für die Praxis

Wenn Emittenten Informationen über ihre Aktionäre von Intermediären haben wollen, bzw. darüber, ob es dort überhaupt welche gibt, müssen die Intermediäre dem Folge leisten. Aber davor die „Disclosure-Requests“ auf ihre Rechtmäßigkeit prüfen, also ihre interne (Datenschutz-)Compliance beachten. Große Banken, die viele Depotkunden mit vielen verschiedenen Aktien haben, müssen wohl mit tausenden solcher Requests rechnen. Das Recht der Emittenten, ihre Aktionäre über diese Schiene über Ereignisse zu informieren, birgt die Aussicht, dass Kunden „zupapierlt“ werden, wie es ein Banker ausdrückt. Vor allem, wenn sie das gar nicht wollen. Denn die meisten Aktionäre wollen „eh nicht abstimmen“ und nicht von jeder ihrer Aktien jeden Quartalsbericht und jede Aussendung haben, aber trotzdem dafür bezahlen müssen. Bisher gibt es dem Vernehmen nach erst wenige Requests, aber auf Dauer werden solche nicht mit dem „Argument Bankgeheimnis“ beantwortet werden können.

 

 

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