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Bekommen Fed & Co. die Teuerung in den Griff?

Michael Kordovsky | Börsen-Kurier

Rasche Zinsanhebungen zur Inflationsbekämpfung versus drohendem Abschwung.

Die Federal-Reserve-Board-Mitglieder und regionalen Fed-Präsidenten gehen im Medianwert ihrer Prognosen nach einem zwischenzeitlichen Anstieg des Leitzinses(Fed Fund Rate) auf 3,8 % im Jahr 2023 längerfristiger wieder von einem Zinsniveau von 2,5 % aus. Lässt man die drei höchsten und die drei niedrigsten Prognosen weg, dann läge der langjährige Zins zwischen 2,3 und 2,5 %. Letzterer könnte bereits erreicht werden, wenn die Fed in ihrer nächsten Sitzung am 27. Juli den Leitzins erneut um 0,75 %-Punkte nach oben schraubt. Dann läge die neue Fed Fund Rate bei 2,25 bis 2,50 %. Das FedWatch-Tool, das Zinswahrscheinlichkeiten aus den Fed-Fund-Futures-Preisen ableitet, geht diesbezüglich von 80,5 % aus. Der Zins-Peak kann - aus aktuellen Wahrscheinlichkeitsverteilungen abgeleitet - bereits am 1. Feber 2023 erreicht sein. Die Wahrscheinlichkeit von Leitzinsen über 3,25 bis 3,50 % liegt bis dahin bei 37,7 % und jene von 3,25 bis 3,50 bei 41,4 %. 

Wettlauf mit dem Konjunkturabschwung

Es sieht ganz nach einem Wettlauf der Inflationsbekämpfung mit der sich zunehmend abkühlenden Konjunktur aus. Industriemetallpreise brechen ein, nachdem Chinas BIP-Wachstum auf 0,4 % abkühlte. Die chinesische Notenbank hat im einjährigen Leitzinsbereich bereits eine Senkung von 3,8 auf 3,7 % vorgenommen, während andere Notenbanken in der Inflationsbekämpfung noch mit dem Rücken zur Wand stehen. So ist es nicht verwunderlich, dass die kanadische Notenbank zuletzt ihren Leitzins gleich um 1 %-Punkt auf 2,5 % anhob. Auch die EZB hatte vergangenen Donnerstag mit einer Leitzinsanhebung von 0 auf 0,5 % (Hauptrefinanzierungssatz) teils überrascht, denn im Gespräch waren zuvor nur 0,25 %-Punkte. Der Zins auf Überschussreserven der Banken bei der EZB wurde von -0,5 % auf null neutralisiert und der Zinssatz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität ebenfalls um 0,5 %-Punkte auf 0,75 % angehoben. 

Weitere Leitzinsentscheidungen trifft der EZB-Rat von Sitzung zu Sitzung abhängig von der Datenlage. Das mittelfristige Inflationsziel im Euroraum liegt dabei bei 2 %, im Vergleich zu einer Inflationsrate von 8,6 % im Juni. Es sind zwar noch weitere EZB-Leitzinserhöhungen möglich, doch eine stark abkühlende Konjunktur und rückläufige Ölpreise (nehmen Inflationsdruck) könnten auch einen Zinsanhebungsstopp bewirken und im Extremfall könnten den nächsten Leitzinsanhebungen schnell wieder Senkungen folgen. Bezüglich Schrumpfung der Bilanzsumme lässt sich die EZB noch Zeit. Ein Indiz im O-Ton der Pressemitteilung vom 21. Juli: „Was das PEPP angeht, beabsichtigt der EZB-Rat, die Tilgungsbeträge der im Rahmen des Programms erworbenen Wertpapiere mindestens bis Ende 2024 weiterhin bei Fälligkeit wieder anzulegen.“ 

Dilemma-Situation

Die EZB steckt in der Zwickmühle: Zum einen wären zu hohe Zinsen für hochverschuldete Peripherieländer, wie Griechenland, Italien, Spanien und Portugal, eine sehr große Herausforderung. Zum anderen muss die EZB der Geldwertstabilität dienen und die Inflation bekämpfen und dies im zeitlichen Wettlauf mit einem Konjunkturabschwung. Somit ist es nicht mehr weiter verwunderlich, dass der Euro Interest Rate Swapsatz (Ann/sechs Monate) 15 Jahre vom 19. bis 23. Juli von 2,23 auf 2,03 % zurückging. Alleine am Tag nach der EZB-Entscheidung lag der Rückgang bei 13 Basispunkten. Massiv eingebrochen ist in diesen Tagen der dreijährige Euro-Zinsswapsatz, der von 1,56 auf 1,36 % zurückging und am 17. Juni ein Jahreshoch von 2,22 % erreicht hat. Offensichtlich gewichten die Märkte die Rezessionswahrscheinlichkeit tendenziell höher.


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