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Aktuelle Marktanalyse: Stimmung und Realität – Österreichische Aktien sind zu billig

„Der ATX-Index war ein Underperformer im ersten Halbjahr 2014“ – so die Schlagzeile der letzten Tage. Stimmt – aber was sind die korrekten Schlüsse daraus? Viele Anleger verwenden einen Index als oberflächlichen Maßstab, leider nur wenige Anleger gehen in die Details. Erste Bank, Raiffeisen Bank International und Immofinanz – drei klare sogenannte Osteuropastories – machen gemeinsam über 30 % der ATX-Indexgewichtung aus. Die am höchsten gewichteten Aktien im DAX-Index sind Bayer, BASF und Siemens. Was soll also der Vergleich bringen? Wo stünde der DAX-Index heute,  wenn Deutsche Bank und Commerzbank knapp 30 % der Indexgewichtung ausmachen würden – wohl  um Tausende Punkte tiefer.

Wenden wir uns also den wirklich relevanten Fakten zu. Im Schnitt notiert der Heimmarkt in etwa auf dem Niveau des Eigenkapitalbuchwertes. Trotz Berücksichtigung der erwähnten Indexschwergewichte aus dem Bank- und Immoaktienbereich ist dies sowohl im eigenen historischen als auch im internationalen Vergleich ausgesprochen attraktiv. Man mag noch argumentieren können, dass eine Bank mit hohen Osteuropaaktivitäten begründet unter dem Buchwert notiert. Aber ist dies bei einer OMV sachlich nachvollziehbar? Das Unternehmen erwirtschaftet derzeit immerhin eine zweistellige Eigenkapitalrendite. Zum Vergleich: Das Kurs-Buchwert-Verhältnis liegt in Europa etwa bei ca. 1,7 und in den USA bei etwa 2,6. Betrachtet man die Dividendenrendite am Wiener Markt so liegt diese im Schnitt bei knapp über 3 %. Dies ist fast das Doppelte der Rendite einer 10-jährigen Österreichischen Staatsanleihe. Die Zinsen am kurzen Ende werden noch jahrelang auf tiefsten Niveaus verharren. Auch am langen Ende wird keine deutliche Trendwende stattfinden. Insgesamt haben Anleger – vor allem österreichische – eine nach wie vor zu geringe Aktienquote. Von Euphorie also keine Spur. Anleihen sind im historischen Vergleich definitiv als teuer einzustufen. Aktien dagegen liegen international im historischen Mittelwert der Bewertungen und in Wien sogar darunter.

Natürlich wissen erfahrene Börsianer, dass eine attraktive Bewertung noch lange nicht steigende Kurse bedeutet. Anleger sollten sich an Warren Buffett halten: „Price is what you pay. Value is what you get.“ Natürlich ist aufgrund der geringeren Liquidität ein gewisser Bewertungsabschlag voll berechtigt – solide Unternehmen zu einem fairen Preis zu kaufen, kann aber strategisch nicht falsch sein. Warren Buffett meint auch: „Spiele werden von jenen Spielern gewonnen, die auf das Spielfeld achten – und nicht von jenen, deren Augen an der Anzeigentafel kleben.“ Der heutige ATX-Stand ist nicht mehr als die symbolische Anzeigentafel – mit geringer Aussagekraft für eine langfristig angelegte Strategie. Wichtig ist, was am Spielfeld passiert. Am Spielfeld sehen wir, dass OMV langfristig strategisch richtige Entscheidungen trifft. Wir sehen, dass bei Immofinanz und bei CA Immo der hohe Abschlag zum Buchwert immer weniger argumentierbar ist, weil das Management die richtigen Schritte setzt. Wir sehen defensive Titel wie Post oder BUWOG, von denen zwar keine Kurssprünge zu erwarten sind, die aber mit  Dividendenrenditen von über 4 % glänzen. Und wir sehen offensive Titel wie AT&S, die innovativ den ständigen Technologiewandel erfolgreich mitmachen. Dazu finden wir zahlreiche Unternehmen wie Mayr-Melnhof, Semperit oder DO & CO, die in ihren jeweiligen Segmenten führende Marktstellungen haben.

Der Geduldige mit Weitblick sollte auf Sicht mit attraktiver Performance belohnt werden – wo immer der DAX-Index dann auch stehen mag...

 

Autor:
Alois Wögerbauer, CIIA
Geschäftsführer, 3 Banken-Generali Investment-Gesellschaft m.b.H.
27. Juni 2014