Anleger die in den letzten Jahren in europäischen Aktien investiert waren, können sich wahrlich nicht beklagen. So ist der STOXX600 seit dem Tief im Jahr 2009 auf total return Basis um 20 % p.a. gestiegen, und damit deutlich stärker als die langfristig zu erwartenden 8 bis 10 %. Die Gründe für den jüngsten Anstieg liegen auf der Hand: deutlich sinkende Zinsen und eine lockere Geldpolitik der Notenbanken. Auf der Suche nach Rendite blieb Anlegern wenig übrig als in riskantere Veranlagungsformen zu gehen. Marktmechanismen sind das eine, Bewertungen das andere, wie ist der Status quo an den europäischen Aktienmärkten?

Rein fundamental betrachtet sind die Märkte mit KGVs zwischen 16 und 20 ausreichend bewertet. Angesichts fehlender zinstragender Veranlagungen auf der Anleihenseite eher im Bereich des fair value, und das gilt auch für einen Zinsanstieg um 300bp, der jedoch nicht vor der Türe steht. Was jedoch nicht eingepreist ist, sind die Unternehmensgewinne, die in Europa seit drei Jahren mehr oder weniger stagnieren. In den USA sind die Gewinne um 25 % höher als beim letzten Peak in 2007, während sie in Europa 30 % darunter liegen. Die Gewinnmargen amerikanischer Unternehmen sind auf einem All Time High und in Europa 30 % darunter. Der Unterschied liegt in einer deutlich stärkeren und auch anpassungsfähigeren US-Wirtschaft. Die zuletzt veröffentlichten Daten zeigen eine, vorerst zaghafte Erholung in Europa, ausgelöst durch den fallenden Ölpreis und den schwachen Euro. Mit Ausnahme von Griechenland, sind auch die Peripherieländer auf einem Erholungspfad. Erstmals seit langer Zeit werden die Wirtschaftswachstumsraten nach oben revidiert. Für 2016 liegt der Konsensus deutlich über 2 % BIP-Wachstum. Für Unternehmen sollte dies, angesichts vergangener Sparprogramme (operativer leverage) und währungsbedingter Wettbewerbsvorteile, einen deutlichen Gewinnsprung bedeuten.

Anleger auf der Suche nach laufender Rendite werden angesichts der aktuellen Zinsen für Staatsanleihen und parallel stark gefallener corporate yields ebenfalls wenig Alternativen finden. Der Spread zwischen Dividendenrenditen und investment grade corporate yields ist auf einem historischen Höchstwert.

Die Bewertungen scheinen damit nicht mehr teuer, und bewährte Formeln müssen manchmal umgeschrieben werden, also: „Buy in May and stay“.


Autor:
Horst Simbürger, MSc, CEFA
Chief Investment Officer
VOLKSBANK INVESTMENTS
29. April 2015

Hinweis

Die Wiener Börse AG verweist ausdrücklich darauf, dass die angeführten Informationen, Berechnungen und Charts auf Werten aus der Vergangenheit beruhen, aus denen keine Schlüsse auf die zukünftige Entwicklung oder Wertbeständigkeit gezogen werden können. Im Wertpapiergeschäft sind Kursschwankungen und Kapitalverluste möglich. Der Beitrag gibt die persönliche Meinung des Analysten wieder und stellt keine Finanzanalyse oder Anlageempfehlung der Wiener Börse AG dar.

Seminar-Tipps